Ausnahmemusik

MACHERN. Eine problematische Mozart-Interpretation, ein beeindruckender Mendelssohn und ein grandios musizierter Beethoven: das Konzert das Gewandhaus-Quartetts im Kloster Machern entwickelte sich zu einem großen Crescendo.

Ein Akkord, und die Welt sieht anders aus. Der erste Dreiklang aus Beethovens e-Moll-Quartett op, 59,2 war wie ein Signal - stark, rein, hell und filigran. Beginn einer technisch perfekten und musikalisch bewegenden Interpretation dieses schwierigen Stücks. Das Gewandhaus-Quartett leuchtete die dichte Quartettpolyphonie aus, verlieh wichtigen Mittel- und Unterstimmen Profil. Die Musiker, allen voran Primarius Frank Michael Erben, ließen die weit ausholenden Sechzehntel-Figuren wie Perlenschnüre blinken, fein und subtil. Sie zeichneten die Melodik im "Molto Adagio" liebevoll nach - nicht nur im choralartigen Hauptthema, sondern auch in den gezackten Motiven danach, die gar nicht zur introvertierten Grundstimmung passen wollen. Dem befremdlichen Rhythmus im dritten Satz geben sie etwas kalkuliert Stolperndes. Und im Finale klingen bis zum lakonischen Schluss Drastik und Provokation mit. Das Bizarre, Sprunghafte, Riskante der Erfindung, die Distanzierungen Beethovens von ausbalancierter Klassizität - selten sind sie so deutlich geworden. Aber zugleich verbinden die Leipziger die divergierenden Elemente so überzeugend, dass das Wunder dieser Komposition aufscheint: Trotz allem scheinbar Zusammenhanglosen ist sie völlig in sich stimmig. Ausnahmemusik in einer Ausnahme-Interpretation. Wer hätte das gedacht? Bei Mozarts Es-Dur-Quartett KV 428 zu Beginn klang die Orchesterroutine mit, ein Mangel an künstlerischer Auseinandersetzung. Da setzte man Akzente allzu schematisch, hart und unflexibel, blieb die Intonation durchschnittlich, schlichen sich immer wieder Gedankenlosigkeiten ein. Und Mendelssohns f-Moll-Quartett op. 80? Keine Frage, ein anderes Interpretations-Niveau. Die Gewandhaus-Musiker spielten die Härten dieser einzigartigen Komposition ungeschönt aus, beschworen das Obskure, Geisterhafte in diesem Quartett, gaben der Trauer um den Tod der Schwester Fanny bewegenden Ausdruck. Trotzdem ließen sie den verbindlichen, kantablen Grundzug von Mendelssohns Tonsprache mitklingen. Und hätte es nicht die grandiose Beethoven-Interpretation gegeben, vielleicht wäre die leise Tendenz zum Massiven und zur mangelnden Durchzeichnung gar nicht aufgefallen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort