Ausstellung in Mainz: Lohnende Zeitreise durch Rheinland-Pfalz

Mainz · Am Sonntag eröffnet in Mainz die große Ausstellung zur Landesarchäologie. Ein erster Rundgang zeigt: Der Besuch ist die Reise wert.

Draußen strahlt einer der ersten sommerlichen Tage des Jahres. Drinnen irisiert Schwarzlicht und taucht Totenschädel, Urzeitwesen und Silberschätze in ein mystisch blaues Licht. Sobald die Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt haben, kann die Zeitreise beginnen. Eine Reise durch 400 Millionen Jahre Erdgeschichte, 800 000 Jahre Menschheitsgeschichte und 70 Jahre Landesarchäologie.

Am kommendem Sonntag, 21. Mai, öffnet im Landesmuseum Mainz die große Landesausstellung "vorZEITEN - Archäologische Schätze an Rhein und Mosel", die bis zum 29. Oktober zu sehen ist. Journalisten hatten am Dienstag Gelegenheit, sich einen ersten Eindruck zu verschaffen. Das Interesse ist ähnlich groß wie jenes an der Trierer Nero-Ausstellung: Mehrere Dutzend Medienhäuser sind vertreten.

Und das, was zu sehen ist, kommt gut an. Das liegt nicht nur an herausragenden Exponaten, sondern auch an der Konzeption der chronologisch aufgebauten Schau, die zur unterhaltsamen und abwechslungsreichen Zeitreise wird. Die Seitenflügel des Museums wurden in 15 völlig unterschiedlich gestaltete Räume unterteilt, die sich vom Devon bis zur Neuzeit großen Epochen der Landesgeschichte widmen und dabei jeweils auf bestimmte Fundorte konzentrieren: Der Besucher wird so weder erschlagen noch gelangweilt.

Die Zeitreise beginnt im devo nischen Urozean, der vor 400 Millionen Jahren weite Teile des Landes bedeckte. In ihm lagerten sich die Schiefer ab, die heute viele Häuser decken. Und in diesen Schiefern wurden bei Bundenbach im Hunsrück die fantastischsten Kreaturen gefunden: Seesterne, Trilobiten, Asselspinnen und Wesen, für die einem keine Namen einfallen wollen. Zahlreiche der verrückten Original-Fossilien sind ausgestellt. Auf den schwarzblauen Wänden wabern weiße Projektionen der Gliederfüßler, die so detailgetreu erhalten blieben, dass man sie mit 3-D-Druckern rekonstruieren konnte.

Weiter geht die Reise durch einen Raum, in dem neben zahlreichen anderen Fossilien eine versteinerte Flugmaus (eine absolute Rarität) aus dem Tertiär zu sehen ist.

Die steinzeitlichen Toten von Herxheim haben den Archäologen mehr Rätsel aufgegeben als Fragen beantwortet. Zweifellos zählen die 75 000 Knochen, die an der Südlichen Weinstraße ausgegraben wurden, zu den mysteriösesten Funden im Land. Einige der Skelettteile werden in Mainz in einem rekonstruierten Graben präsentiert. "Man hat sie nicht bestattet, sondern wahllos hineingeworfen", sagt Kurator Richard Bersch. Waren Kannibalen am Werk? Oder ist die Knochensammlung Folge eines Rituals? Fest steht: Die Überreste zeigen, dass die Menschen auf Basaltböden gelebt haben, die es in der Nähe von Herxheim gar nicht gibt.

Vorbei am ältesten bekannten Rheinland-Pfälzer (übrig von ihm ist ein 170 000 Jahre alter Schädel), filigranen steinzeitlichen Kunstwerken aus Mammutelfenbein und bronzezeitlichen Beilen geht es weiter zu einem mit Sonnensymbolen verzierten Bronzeeimer, der beweist, dass auch die Eifeler im 9. Jahrhundert vor Christus beachtliches handwerkliches Geschick besaßen. Passend zur Bronzezeit ist der Raum in ein durchdringend warmrötliches Licht getaucht, dessen Quelle zunächst nicht auszumachen ist - denn die ganze Decke strahlt.
Wo die Kelten wirkten, zeigt eine Landkarte, die Wände und Fußboden des nächsten Raumes bedeckt.

Schnabelkannen, Gürtelhaken und Goldzierscheiben zeugen davon, wie aus etruskischen Verzierungen typisch keltische Muster wurden. Mit diesem und zahlreichen anderen Beispielen unterstreicht die Ausstellung, dass das Land schon immer davon geprägt wurde, dass verschiedene Völker und Kulturen aufeinandertrafen. "Rheinland-Pfalz war immer ein Land der kulturellen Begegnung", sagt Kulturminister Konrad Wolf. Im Zentrum Europas, Durchzugskorridor, Handelsraum, Machtzentrum, Kampfgebiet, Schmelztiegel. Schon seit der Steinzeit verbinden Ströme von Waren, Menschen und Ideen Rhein und Mosel mit dem Rest Europas.

Nichts illustriert dies besser als die wohl winzigsten Exponate der Ausstellung: Römische Bleiplättchen aus Trier, die als Produktetiketten für Spargel und Spezereien wie Zimt und Pfeffer dienten. Syrische und türkische Händler brachten sie in die Region, wo sie von römischen Soldaten genossen wurden, die aus Italien oder Nordafrika eingereist waren, "Was mag ein Eifeler Kelte da gedacht haben. Das war wirklich Multikulti", sagt Bersch.

Trier, der Kaiserstadt, wird neben Mainz ein eigener Raum gewidmet, der sich mit Mosaiken, Statuen und Schmuck der Blütezeit der Metropole befasst. Eine Blütezeit, die mit den Germaneneinfällen der Völkerwanderungszeit ihr Ende fand. Aus dieser Epoche stammt auch der aus über 100 Objekten bestehende Schatz von Rülzheim, der nun in Mainz seit langem erstmals wieder zu sehen ist. An merowingischen Gräbern, einer Projektion der prächtigen Ingelheimer Pfalz und dem mittelalterlichen Silberschatz von Lingen vorbei führt die Zeitreise zurück in die Neuzeit. Dort werden Kinder ab Sonntag einen interaktiven "Zeitforscherraum" vorfinden, in dem sie Spannendes über Archäologie erfahren. Für die Kleinen wurde auch ein Ausstellungsführer mit Quiz entwickelt, bei dem sie eine Knochenperle gewinnen können - die sie vielleicht daran erinnert, wie reich die Geschichte ihres Landes ist.
Öffnungszeiten: Das Mainzer Landesmuseum (Große Bleiche 49-51) ist mittwochs bis sonntags von 10 bis 17 Uhr und dienstags von 10 bis 20 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet sechs, ermäßigt fünf Euro. Für Kinder bis sechs ist er frei.Extra: TV-SERIE: SO GEHTS WEITER

Im vorigen Teil unserer Serie Abenteuer Archäologie haben wir erklärt, wie Archäologen arbeiten. Im folgenden Teil zeigen wir, wie man mit Hilfe von Bäumen das Alter von Bauwerken bestimmt. Texte, Videos und Fotos unter w ww.volksfreund.de/vorzeiten

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