Bachs Tonbaukasten

TRIER. Bachs Alterswerks "Die Kunst der Fuge" in Spiegelform wiederzugeben, scheint willkürlich zu sein. Ist es aber nicht, weil Bach selber in diesem Werk Spiegelfugen schrieb. Franns Promnitz zu Promnitzau hat in der Trierer Tufa einen Großteil des Zyklus gespiegelt.

Es klingt schon ungewohnt. Ein bisschen nach Johann Sebastian Bach, ein bisschen nach d-Moll oder g-Moll und deutlich nach Fuge - der klassischen Form für kompositorische Strenge und Kunstfertigkeit. Franns Promnitz zu Promnitzau, Pianist aus Leipzig, hat Bachs Alterswerk "Die Kunst der Fuge" gespiegelt. Das heißt, er spielte die Noten, als würde er sie vom Spiegel ablesen. Die rhythmischen Abläufe bleiben dabei erhalten, aber Melodik und Harmonik klingen, als stünden sie auf dem Kopf. Abstrus ist dieses Experiment keineswegs. Bach hat in der "Kunst der Fuge" selber zwei Spiegelfugen geschrieben. Wobei er selbstverständlich die Kompositionen so anlegte, dass sie auch gespiegelt klingen, und das nicht schlecht. Auch zahlreiche Einzelelemente haben Spiegel-Charakter. Zum Beispiel das Hauptthema, dessen Harmonien gleich bleiben, egal ob die Originalversion erklingt oder die gespiegelte Fassung. Und tatsächlich, das Resultat klingt wie Musik aus dem Handstand: unkonventionell, aber keinesfalls chaotisch, sondern irgendwie doch strukturiert. Promnitz ordnet die Stücke neu an, spielt mal nur die Originalversion einer Fuge und mal nur die Spiegelform einer anderen und ergänzt die unvollendete letzte Fuge zu einem hübschen, gerundeten Schluss. Das bleibt bis zum Ende interessant, auch wenn die akustischen Neuentdeckungen mit der Zeit seltener werden. Das Experiment will ja mehr. Es macht darauf aufmerksam, dass Bach auch am Ende seines Lebens neue Stile und Techniken ausprobierte. Mal griff er aufs 16. Jahrhundert zurück, dann wieder auf die Musik der Schülergeneration, und dabei ging er so unkonventionell vor, dass manches in der "Kunst der Fuge" bei einem gestrengen Kontrapunktlehrer der Gegenwart wahrscheinlich durchfallen würdenn. So blieb der Abend bis zum Schluss ein spannender Blick in Bachs Baukasten - genau passend zum "Schwing"-Projekt. Eine kleine, aber hoch interessierte Besucherschar lauschte in der Trierer Tufa mehr als zwei Stunden lang - sichtlich gefesselt von Idee und Ausführung. Zum Thema "Die Kunst der Fuge - gespiegelt" findet am kommenden Dienstag, 26. Juli, 20 Uhr, in der Tufa ein Vortrag statt. Volker Schulz spricht über die "Geometrie der Töne".

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