Benommen

Früher ist leider für immer vorbei. Was um so bedauerlicher ist, wenn man bedenkt, dass gerade da alles besser war. Grund also zum Trübsal blasen? Denkste! Hier kommen die guten Neuigkeiten: Nach Sonnenfinsternis und Jahrtausendwende dürfen wir aktuell Lebenden jetzt auch noch die Kombination aus Verdunkelung und Zeitenwende miterleben.

Die Welt - wie uns schon der große Dichter und Denker Umberto Eco im letzten Jahrhundert prophezeit hat - ist auf dem Weg zurück ins Mittelalter. Und zwar die ganze Welt, nicht nur unsere mohammedanischen Brüder und Schwestern zwischen Berlin und Bagdad - auch wenn sich deren fundamentalistische Avantgarde zugegebener Maßen bei diesem Wettrennen in die Finsternis schon einen beachtlichen Vorsprung erarbeiten konnte. Aber auch der Westen macht sich so allmählich auf den Weg zurück in die Zukunft und hat bereits die ersten sichtbaren Meter auf diesem Weg hinter sich gebracht. Erster Beweis für diese Migration entlang des Zeitstrangs auch bei uns, ist etwa der Gewerkschaftsfunktionär Michael Sommer, der mit Parolen wie: "Sozialabbau ist Mist! Lasst es einfach sein!" schon wieder mitten in den 70er-Jahren angekommen ist. Während Sommer so aber lediglich die Ära Brandt verbal exhumiert, sind die Hohepriester der lustig-orthodoxen Unterhaltung beim traditionell innovationsfeindlichen ZDF schon wieder locker 20 Jahre weiter zurück. Hier präsentierte Thomas Gottschalk- die Reinkarnation des Peter Frankenfeld? - am Samstag die große Benimm-Show. Das Tanzschulheftchen der Gottschalkschen Jugend als Skript für einen Stunden-füllenden Quotenknüller - das ist gefühltes 1950! Hut ab! Aber nicht ausruhen auf dem frisch vergilbten Lorbeer - noch ist das Privatfernsehen nicht abgeschafft. Ekelmeister RTL plant gewiss schon einen Kerkercontainer und ProSieben statt des Red-Nose- Days die Wiedereinführung von Kaisers Geburtstag. Mein Rat: schwarz-weiß senden, ZDF! Damit seid ihr weiter ganz weit vorne auf dem Weg nach hinten

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