Besetzt von Erinnerung und Legende

TRIER. Architektonisches Frühlingserwachen: Heute weiht die Fachhochschule Trier ihr restauriertes Gebäude am Paulusplatz in Trier ein.

 Elegante Schlichtheit als oberstes Prinzip: Blick in die neu gestaltete Fachhochschule Trier.Foto: FH Trier

Elegante Schlichtheit als oberstes Prinzip: Blick in die neu gestaltete Fachhochschule Trier.Foto: FH Trier

Umbauten von historischen Gebäuden erfordern Fingerspitzengefühl. Und wenn es um ein Baudenkmal wie die ehemalige Werkkunstschule in Trier geht, gilt das allemal. Dort nämlich war ein Ort freizulegen, den Erinnerung und Legende hartnäckig besetzt halten. Bald 100 Jahre alte Geschichten ranken um das alte Gemäuer, während innen über Jahrzehnte der architektonische Wildwuchs wucherte. Unter der Leitung des LBB (Landesbetrieb Liegenschafts- und Baubetreuung) Trier hat jetzt ein beherztes Team aus Architekten, Innenarchitekten und Denkmalpflegern den langsam verelendeten Bau architektonisch entrümpelt, durchgelüftet und auf den neuesten Stand gebracht. "Wir wollten den Bau auf seine Bausubstanz zurückführen", sagt Konrad Müller. Der Leiter der Trierer LBB hatte das Projekt zur Chefsache gemacht - wie man sieht mit Erfolg. Wenn heute die Fachhochschule ihr neues altes Gebäude einweiht, erwacht nicht nur eine im besten Sinn alterslose Schönheit zu neuem Leben. Mehr noch: was sich als barrierefreies Bauen in der Raumplanung niederschlägt, wurde auch als inhaltlicher Anspruch umgesetzt. Die weißen lichten Räume versprechen zumindest architektonisch, was Lernen und Lehren braucht: den freien Geist im freien Raum. Dass die engagierten Baumeister dabei mit den vor Jahren veranschlagten 4,14 Millionen Euro auskamen zeugt vom Blick aufs Wesentliche.Widersprüchlichkeiten, reizvoll und aktuell

Die Umsetzung neuer Konzepte zur Qualitätsverbesserung in Handwerk und Gewerbe sollte der von Stadtbaumeister Schilling und Schulleiter Karl Skomal geplante und zwischen 1910 und 1912 errichtete Bau gewährleisten. Entstanden ist damals am Ende ein Gebäude, dessen Widersprüchlichkeit nicht nur reizvoll, sondern auch verblüffend aktuell wirkt. Wie heute waren die Notwendigkeit der Erneuerung von Geist und Struktur erkannt. Was jedoch blieb, war eine Reform mit angezogener Handbremse. Worin Handwerk und Gewerbe genesen sollten, wurde architektonisch in ein überkommenes Zeitgewand gekleidet. Modern waren Stahlskelettkonstruktion, weite Räume und das Treppenhaus, das funktionstüchtig den Bau erschloss und ihn mit dem Halbrund des Vorbaus und dem hofseitigen Flügel verband. Bei Fassade und Innendekoration indes blieb man rückwärts gewandt. Das anmutig geschweifte Dach des Vorbaus und sein Sockel kokettieren mit dem gerade verblichenen Jugendstil. Ansonsten verlässt sich der Hauptbau auf die geometrische Pracht des Klassizismus und seine schmucken Wandpfeiler und Bandbeigaben. Weit entfernt ist dieser Bau von der bekennenden Schlichtheit der zeitgleichen Architektur etwa eines Walter Gropius. Im Trierer Bau stellt sich ein konservativer Geist dar, dem Stahl und Glas wesenlose Materialien schienen, die erst durch entsprechende Zugaben geadelt werden mussten. Der "überarbeitete" Bau bekennt sich zu seiner geschichtlichen Wahrheit. "Wir haben die alten Strukturen sichtbar gemacht und spätere Einbauten entfernt", bestätigen Müller und sein Mitarbeiter, Architekt Rolf Kuhn. Nicht nur das: Um den Bau lebensfähig zu halten, war es nötig, die Voraussetzungen für den modernen Fachhochschulbetrieb verträglich in die historische Substanz zu inte-grieren. Der Umbau bietet denn auch das gesamte Raumprogramm und die notwendigen Installationen, die der dort untergebrachte Fachbereich Innenarchitektur und das Kommunikationsdesign benötigen. Dazu gehören moderne Werkstätten im Untergeschoss, Computeranlagen, Fotolabor, Hör- und Zeichensäle.Ein Haus, das sich zur Schlichtheit bekennt

Hauptperson bleibt dennoch immer der Bau mit seiner plastischen Wirkung, seinen Fluchten und der Kraft seines großzügigen Treppenhauses. In wahrhaft edler Schlichtheit nehmen sich Beleuchtung, Rollos, ja selbst Türdrücker zurück vor der Architektur wie vor den verbliebenen erhaltenswerten Details des ursprünglichen Baus: den schönen Kacheln des Treppenhauses und den Ornamenten des Geländers. Unter den Räumen tun sich die halbrunde Aula und die Atelierräume im Dachgeschoss besonders hervor. Nicht erneuert wurde zugunsten einer klaren zeitgemäßen Raumsprache die ursprüngliche Fassung der Aula mit ihren Jugendstilornamenten. Den alten Terrazzoböden lässt das feine Grau der Linoleumbeläge den Vortritt. Elegant, aber kraftvoll und zudem funktionsfähig - das ist der nachhaltige Eindruck dieser gelungenen Restaurierung. Sie belegt eindrucksvoll, dass Gegenwart aufs Beste bei der Vergangenheit aufgehoben sein kann.

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