Beziehungskisten im Morgenland

TRIER. Bunt und vielfältig ist die Trierer Neuinszenierung der Mozartschen „Entführung“ ganz bestimmt. Fragt sich nur, wo in der Produktion die künstlerische Linie steckt.

Lustig, nicht wahr? Belmonte schwimmt auf einem Cembalo in den Orient. Osmin weist den Entführer in spe nicht nur barsch ab, sondern fesselt ihn überflüssigerweise ans Instrument. Die Auseinandersetzung zwischen dem Bassa und Konstanze findet in einem mobilen Theater statt, das augenscheinlich aus dem Rotlicht-Milieu entwendet wurde. Und wenn die vier Liebenden Ende des zweiten Akts Distanz beziehen zum "Feuer der Eifersucht", dann lodern aus der Lagerstatt im erotischen Kabinett die Flammen - spektakulär, aber mit schwacher Symbolik.

Die Neuinszenierung der Mozartschen "Entführung aus dem Serail", die Aurelia Eggers auf die Trierer Bühne gestellt hat, ist farbenfroh, und die Ausstattung von Andreas Wilkens unterstreicht das Vielfarbige der Regie. Aber im buntscheckigen Einfallsreigen bleibt das Konzept unscharf. Wenn Antje Bitterlichs Konstanze indisponiert, aber mit perfekter Technik ihre berühmte "Martern-Arie" singt, dann turnt sie mit eindeutiger Gestik auf dem Bassa, und trotz makelloser Sololeistungen im Orchester geht der gleichermaßen ausdifferenzierte und heroische Grundzug dieser Arie verloren. Und Eric Rieger, ein Belmonte mit schöner Lyrik, oft aber überfordert und dann unkultiviert - wenn dieser Belmonte in seiner ersten Arie Sehnsucht, Erinnerung und Vorfreude bekundet, dann muss sich sein Darsteller in allerhand neckischen Aktionen ergehen.

Trotz alledem: konzeptlos ist die Inszenierung nicht. Aurelia Eggers zielt auf das Schwankende, Uneindeutige der Figuren, auf ihre Ängste und Missverständnisse, die sich im Quartett Ende des zweiten Akts entladen - immerhin ließ Mozart dafür das Textbuch eigens umschreiben. Konstanze sucht nicht nur weiblich-klug dem Bassa zu entgehen, sondern wird auch angezogen von der imperialen Männlichkeit dieser Figur, die sich bei Laszlo Lukas in den besten Händen befindet. Bei Peter Koppelmanns Pedrillo, der sich im Ensemble bewährt, aber als Solist seine Stimme übervorsichtig eindunkelt, und der wunderbaren, entschiedenen und doch lyrisch-ausdrucksvollen Blonde von Evelyn Czesla trüben kleinliche Bedenken die Wiedersehensfreude. Freilich trägt der Regie-Ansatz nicht bei Thomas Schoberts Osmin. Gerade dieser hochbegabte Bass vermittelt kaum etwas von der Tragik des Haremswächters, dem echtes Glück versagt bleibt.

Mögen in der Regie Konturen fehlen, die musikalische Realisierung hat sie - trotz der spannungslos und ungenau musizierten Ouvertüre. Man mag über die Tempi geteilter Meinung sein, und nicht immer stimmte die Koordination zwischen Bühne und Graben. Aber abgesehen von vereinzelten Streicher-Unschönheiten und der forcierten Solo-Oboe kultivierten István Dénes und das Philharmonische Orchester einen warmen, von den Holzbläsern geprägten Mozart-Klang. Vor allem: die Musik entfaltet zielbewusste, maßvolle Dramatik.

So wird das Quartett vor der Pause nicht nur zum Fluchtpunkt der Inszenierung, sondern auch zum musikalischen Höhepunkt. Im dritten Akt verleiht der Hauschor des Theaters (Norbert Schmitz) dem glücklichen Schluss dann den gehörigen Nachdruck. Und man verlässt das Theater in dem Gefühl, durch Mozart reicher geworden zu sein. Gelangweilt hat die Produktion jedenfalls nicht.

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