Biographie in Tönen

Trier. (gkl) Es gibt sie immer noch, die Trennung zwischen Ost und West. Im Politischen ist sie oft zu unrecht festgeschrieben, im Musikalischen ist sie häufig noch Realität. Zumindest wenn es um das Barocke und die frühe Klassik geht. Da prallen häufig ganze Weltanschauungen aufeinander.

Aber auch hier bewegt sich etwas. Einen Beweis hierfür lieferte das Quatuor Festetics beim dritten Konzert der Kammermusikalischen Vereinigung im kurfürstlichen Palais. Kennt man von osteuropäischen Ensembles normalerweise den breiten Strich, den satten Ton, so versuchen István Kertész und Erika Petöfi (Violine), der Bratscher Péter Ligeti und der Cellist Rezsö Pertorini den Ausbruch aus dieser Umklammerung. Als einziges ungarisches Quartett nehmen sie für sich in Anspruch, auf historischen Instrumenten zu spielen. Kompositorischer Protagonist des Abends war Joseph Haydn, von dem vier Streichquartette erklangen. Auf den ersten Blick schwere, einseitige Kost. Genauer betrachtet, oder sollte man besser sagen, belauscht, illustrierte das Quartett den Werdegang des Kammermusikers Haydns. Angefangen beim C-Dur Quartett, Opus 20, des 40-jährigen und beschließend in D-Dur, Opus 71, bei dessen Entstehung der Meister schon 61 Lenze zählte. Nachgezeichnet wurde Haydns Entwicklung heraus aus der barocken Ton- und Formensprache hin zu seinem unikaten, tiefgründigen, nicht selten hintergründig humorvollen Stil. Eine hochinteressante Biographie, die durch die Quartette B-Dur, Opus 50 und Es-Dur, Opus 33 vervollständigt wurde. Die Unhaltbarkeit der Programmheftaussage, der Unterschied zwischen alten und modernen Instrumenten sei nicht so wesentlich, belegten die Musiker nachdrücklich. Bei aller Sparsamkeit des Vibratos und aller historischen Spielweise, die erlebte Klangwelt ist auf modernen Instrumenten nicht zu erreichen. Auch eine große Intonationsreinheit ist möglich, wie man bei Petöfi, Ligeti und Pertorini erleben konnte. Schade nur, dass Kertész hier etliche Male ausbrach und den Gesamtklang manchmal Misstöne zufügte. Das große Aha-Erlebnis war der Abend nicht, aber ein lohnender Abend in verschiedener Hinsicht.

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