Bissiger Opa mit scharfem Verstand

Ein Cross-over Programm boten die Mosel Festwochen mit dem Titel "Vorsicht, Klassik", das der TV präsentierte. Nach fast drei StundenPhilharmonischen Cellisten Köln und Kabarettist Dieter Hildebrandt gab es nur noch eins: ein begeistertes Publikum.

 Wenn Dieter Hildebrandt auftritt, darf die Zeitung mit den vier großen Buchstaben nicht fehlen. TV-Foto: Gerhard W. Kluth

Wenn Dieter Hildebrandt auftritt, darf die Zeitung mit den vier großen Buchstaben nicht fehlen. TV-Foto: Gerhard W. Kluth

Trier. Was war das nun eigentlich, was die Mosel Festwochen da unter dem Titel "Vorsicht, Klassik" ihrem Publikum anboten? War es ein Konzert oder eine Kabarettveranstaltung? So ganz sicher konnte man sich bei dem, was auf der Bühne im Innenhof des Kurfürstlichen Palais abging, nicht sein. Natürlich waren die Philharmonischen Cellisten Köln für ein erstklassiges Konzert gut. Exzellente Intonation, Virtuosität, jede Menge Klänge, die man von einem Cello so nicht erwarten sollte, wiesen Primus Werner Thomas-Mifune, Yves Savary, Peter Hörr, Hanno Simons, Jochen Ameln und Wulf Schaeffer als ausgezeichnete Instrumentalisten aus. Aber das Programm? Um es kurz zu machen: Das Programm war einfach genial.Neujahrskonzert in drei Minuten

Vorwiegend von Mifune eingerichtet oder gar aus seiner eigenen Feder geflossen, hat man selten soviel Spaß gehabt. Ob nun ein Regentropfen-Prélude von Frédéric Chopin, der auch noch mit dem Nocturne, Opus 9 Nr. 2, vertreten war, oder die Kurzfassung des Neujahrskonzertes der Wiener Philharmoniker, das mit drei Minuten Dauer endlich einmal eine akzeptable Länge hatte. Ob mit den Sparversionen der Nationalhymnen, die in einer Zusammenfassung der Amerikanischen und der Russischen kulminierte. Alles wurde äußerst ernst vorgetragen und sorgte gerade deshalb dafür, dass man Tränen lachen konnte. Die Beiträge des Ensembles alleine, übrigens allesamt Cellisten der ersten Garde, wären schon einen ganzen Abend wert gewesen.Texte zum Staunen, Nachdenken und Lachen

Nun gab es aber noch jemanden auf der Bühne, der am durchschlagenden Erfolg des Abends, der inklusive der Pause und trotz des gegen Ende einsetzenden Regens nahezu drei Stunden dauerte, seinen Anteil hatte: Dieter Hildebrandt. Der Inbegriff dessen, was man in Deutschland einen Kabarettisten nennt. Auch er warf Fragen auf. Wovor musste man mehr Respekt haben: Vor der Tatsache, dass dieser 81-Jährige problemlos den ganzen Abend über präsent war und das Geschehen auf der Bühne lenkte, oder waren es die Texte, mit denen er nach wie vor sein Publikum zum Staunen, zum Nachdenken und immer wieder zu ungebremsten Heiterkeitsausbrüchen bringt? Hildebrandt ist frech, ist bissig, legt immer noch den Finger genau in die Wunden, wo es besonders weh tut. Er ist ein Jongleur der Sprache und immer noch ein hellwacher Beobachter des Zeitgeschehens. Dabei hat man den Eindruck, es gäbe kein Thema, aus dem er nicht einen Text machen könnte. Seit Hildebrandt wird die Musik nicht mehr nur noch in E- und U-Musik unterteilt, sondern auch in Ü-Musik, der Überflüssigen. Musiker bekommen bei ihm genauso ihr Fett weg, wie die Politiker, und so wird André Rieu unversehens "zum Johann Strauss der Fußgängerzonen". Aber natürlich ging es immer wieder in die aktuelle Politik und offensichtlich hatte sich Hildebrandt auch über die Trierer Verhältnisse kundig gemacht. So liegt Trier für den bekennenden Linken auf Grund des Ergebnisses der letzten Bürgermeisterwahlen "am Rande der Wahrnehmungsfähigkeit". Dem Trierer Bischof, "der ja schon genug unter seinem Namen zu leiden hat", empfiehlt er die sofortige Durchführung des Exorzismus für alle, die Jensen gewählt haben.Der Abend: ein einziges Feuerwerk

Aber auch die Medien bekommen in gewohnt scharfer, gerade durch die häufigen Halbsätze so treffende Manier, ihre Schelte ab. Zunächst stellt er fest, dass "die öffentlich-rechtlichen (Fernsehanstalten) sich in jede Hose machen, die man ihnen hinhält". Geradezu lapidar schiebt er dann hinterher: "Und die Privaten senden das, was drin ist." Hildebrandt, wie er leibt und lebt, wie man ihn kennt. Der Abend war ein einziges Feuerwerk. Er ist ein Klassiker und passt gut ins Programm der Festwochen. Wie haben die einmal geworben? Erstklassisch.

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