Bravos, Bravour und Bescheidenheit

TRIER. Mit einem Bilderbuchstart gingen die 16. Moselfestwochen in die neue Saison. Der Mut der Festspielleitung, eine Uraufführung auf das Programm zu setzen, hat sich gelohnt: Das Publikum reagierte begeistert.

Mit stehenden Ovationen endete das Eröffnungskonzert der 16. Moselfestwochen in der ehemaligen Abteikirche St. Maximin. Ein Auftakt, wie ihn sich Intendant Hermann Lewen nicht besser hätte wünschen können. Dabei war er, wie er selber sagte, mutig gewesen, zum Eröffnungskonzert eine Uraufführung auf das Programm zu setzen - das Oratorium "Die vier apokalyptischen Reiter" des 70-jährigen Trierer Komponisten Heinz Heckmann. Gegensätzlich war es, was das Publikum in der nahezu ausverkauften Abteikirche erlebte. Den Auftakt bildete das "Te Deum" von Anton Bruckner, ein Werk, bei dem die Programmatik klar vorgegeben ist, bei dem sich der Zuhörer von der ersten Note an mit der Musik forttragen lässt. Das Ziel: Mit al- len Stilmitteln der romantischen Emotion das Lobpreis Gottes auszudrücken. Mitreißend muss es sein, sonst hätte es sein Thema verfehlt. Manfred May, der Trierer Konzertchor, das Städtische Orchester Trier und die Solisten Stefanie Krahnenfeld (Sopran), Margarete Joswig (Mezzosopran), der Tenor Helmut Wildhaber und der kurzfristig eingesprungene Bariton Siegmund Nimsgern taten ihr Bestes, die Herrlichkeit Gottes mit aller gebotenen Pracht und menschlicher Demut musikalisch anzubeten. Das Ergebnis war überzeugend, klang ehrlich und nicht affektiert. Nach diesem Höhenflug der religiösen Emotionen war es Heinz Heckmann, der mit seinem Oratorium "Die vier apokalyptischen Reiter" das Publikum auf den brutalen Boden der Realität zurück holte und das wahre Gesicht der menschlichen Kreatur ungeschminkt in den Raum stellte. Basierend auf Gedichten des Salvatorianerpaters Manfred H. Ruhrmann, deren Grundlage die Offenbarung des Johannes ist, wird Heckmann mit seinem gewaltigen Opus zu einem Rufer, einem Mahner, der klar aufzeigt, wohin die Reise der Menschheit gehen wird. Heckmann hat mit seinem Oratorium nichts "Schönes" geschaffen - wie sollte er auch, bei diesen Inhalten? Er hat ein Werk geschrieben, das im allerbesten Sinne des Wortes als beeindruckend bezeichnet werden muss. Heckmann lässt keinem Zuhörer die Chance, sich aus der Schar der Angesprochenen heraus zu nehmen. Die Grundlage des Werks, das steht zu befürchten, wird auch in vielen Jahren noch nichts von ihrer Aktualität einbüßen. Mit moderat-modernen Stilmitteln verleiht er dem Ruhrmannschen Text einen intensiven, kompromisslosen Nachdruck. Die ersten sieben auf den Gedichten beruhenden Sätze muss man als kongeniale Schöpfung ansehen. Mit dem Epilog aber kommt Heckmanns innerste christliche Überzeugung zum Tragen, die Zuversicht, dass es einmal ein besseres Leben in einer neuen Welt geben wird. Er löst sich von Ruhrmanns düsteren Bildern und richtet den Blick auf das neue, zugesagte Jerusalem. Hier schloss sich der Kreis, der mit Bruckner so prachtvoll geöffnet wurde. Den Ausführenden verlangt Heckmann eine große Leistung ab, die sie beeindruckend erfüllen. Chor und Orchester waren bis zur letzten Note konzentriert bei der Sache, ließen kaum einmal ein Schwanken erkennen. Ein Kompliment auch an May, dem es sehr gut gelang, den großen Klangapparat trotz etlicher rhythmischer Hürden beieinander zu halten. Den Solisten kann man nur fast uneingeschränkten Respekt zollen, wäre nicht das stellenweise übertriebene Vibrato in der Stimme von Krahnenfeld gewesen, das der Textver-ständlichkeit recht abträglich war. Beim Komponisten, dem die Bravo-Rufe galten, konnte man nach der Uraufführung nur Bescheidenheit feststellen. Kein Stolz auf sein Werk und die große Annahme durch das Publikum, sondern Dankbarkeit gegenüber den Ausführenden und eine Regung, die vielleicht typisch für Heckmann ist. Sein erster Kommentar nach dem Konzert: "Es ist für mich eine unbeschreibliche Ehre, dass mein Werk zusammen mit einer Komposition von Anton Bruckner aufgeführt wurde."

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