Brillante Fortissimo-Rakete

MACHERN. Die Mosel Festwochen erheben sie euphorisch zur "Königin der Klarinette". Eine musikalische Lichtgestalt ist Sabine Meyer ganz bestimmt. Das erwies sich im Konzert mit den jungen Musikern der "Kremerata Baltica".

Der Blick ins Programm stimmt skeptisch. Sollte die "Kremerata Baltica" tatsächlich Haydns schwieriges D-Dur-Cellokonzert spielen? Sie wagte es und leistete sich den einzigen Fehlgriff des Abends. Der Ton der Solistin Marta Sudraba klingt fein und hell, fernab von penetranter Sonorität. Davon profitierten die Lyrik des Mittelsatzes und der leichtfüßige Einstieg zum Finale. Aber Wahrheit gebietet es: Wenn's schwierig wird, leidet die Intonation gewaltig. Beim cellistischen Kraftakt blieb auch das Orchester auf der Strecke, spielte sauber, aber ohne Profil, blieb manchmal ungenau und im beschwingten 6/8-Takt des Finales ziemlich flügellahm. Da fehlte die ordnende, lenkende und motivierende Hand eines Dirigenten. Das war eine vereinzelte Niederlage auf dem Weg zur Meisterschaft. Nach der Pause präsentierte sich die Mannschaft wie ausgewechselt. Die "Kremerata" musizierte Gideon Kleins "Partita für Streichorchester", eine Orchesterfassung des Streichtrios von 1944, mit einer Energie, einer Präzision und einer Transparenz, die begeisterte. Die großartige, Bartok-nahe Komposition erhielt bis in die Mittelstimmen hinein deutliche Konturen. Dem Herzstück, einem Variationssatz, gab die "Kremerata Baltica" einen Tonfall melancholischer Volkstümlichkeit und brillierte dezent in der reizvollen Pizzicato-Variation. Vor allem: Der Streichersatz klingt! Und Sabine Meyer: Auch durch ihre Ausstrahlung, ihre Impulse, entwickelte sich die "Kremerata Baltica" vom Hoffnungsträger zum Gewinner. Klarinettistin und Orchester finden den rechten Tonfall für zwei Kompositionen, die sich keineswegs von alleine interpretieren. Das Klarinettenkonzert B-Dur von Johann Stamitz: frei von barocker Betulichkeit und vorklassischem Leerlauf, leicht und doch markant musiziert, mit makellosem Klarinettenton und transparentem Streicherklang. Und Carl Maria von Webers Klarinettenquintett B-Dur in einer Orchesterfassung: Da hebt sich Sabine Meyers Klarinette leuchtend ab vom sorgfältig ausmusizierten Streicher-Hintergrund, brilliert in den Läufen, singt sich lyrisch aus, baut dramatische Spannungen auf. So fängt sie eine brillante Fortissimo-"Rakete" mit einem berückend weichen Spitzenton und einer herrlich kantablen Phrase ab. Ein exzellent eingespieltes Orchester, und mitten drin die Lichtgestalt an der Klarinette. Das Publikum war hingerissen. Wunderbar, Sabine!

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