Brillantes Meisterstück

Trier · Umjubelte Premiere: Der Kinder- und Jugendchor am Theater Trier hat die Kinderoper "Brundibár" aufgeführt. Den überwiegend jungen Gästen am Donnerstagmorgen gefiel die Inszenierung.

 Kleine Sänger, großes Kino: 79 junge Mitglieder des Kinder- und Jugendchors am Theater Trier beeindrucken in der Oper „Brundibár“ und zeigen nicht nur großes stimmliches, sondern auch schauspielerisches Talent. Foto: ArtEO

Kleine Sänger, großes Kino: 79 junge Mitglieder des Kinder- und Jugendchors am Theater Trier beeindrucken in der Oper „Brundibár“ und zeigen nicht nur großes stimmliches, sondern auch schauspielerisches Talent. Foto: ArtEO

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Trier Zugaben bei Opernproduktionen - das ist eine rare Anerkennung für Musiktheaterakteure. Doch die gut 600 - meist jungen - Zuschauer bei der Premiere der Kinderoper "Brundibár" im fast ausverkauften Großen Haus des Theaters Trier applaudieren so frenetisch und rufen so laut nach Mehr, dass die ebenfalls jungen Akteure auf der Bühne nicht anders können, als ihren finalen "Siegesmarsch" noch einmal zu singen. Und das - wie im gesamten Stück - mit massig Spielfreude und Engagement. Da verschmilzt der einstudierte Jubel der 79 Sänger zwischen sechs und 20 Jahren mit dem des Publikums. Verdient, denn die 79 jungen Akteure des Kinder- und Jugendchors am Theater brillieren in ihrer ersten Oper - gesanglich, und auch schauspielerisch. Martin Folz hat die jungen Sänger auf den Punkt fit gemacht: Die Einsätze kommen präzise, die höchsten Töne nehmen sie ebenso souverän wie die Chorsätze. Und sie singen gut verständlich. Nur wenn die Lieder aus dem hinteren Teil der Bühne kommen, werden die Worte etwas undeutlicher.
Regisseurin Heidi Sommer hat alle Rollen mehrfach besetzt. Das unterstreicht zum einen die vielschichtigen Persönlichkeiten der Protagonisten. So ist Brundibár nicht nur böse, er kann auch verständnisvoll, ja auch liebevoll sein. Zum anderen haben die vier Brundibárs, fünf Aninkas und vier Pepíc{cech}eks auch mehr stimmliches Volumen, was dem Hörverständnis gut tut. Was aber nur gelingt, weil die jungen Akteure wie mit einer Stimme singen und perfekt harmonieren.
Das Stück hat Sommer aus den 1930er Jahren ins Heute transferiert und auch für die jungen Zuschauer verständlich inszeniert. Aninka und Pepíc{cech}ek brauchen dringend Milch für ihre kranke Mutter. Für sie gilt: "Wer helfen kann, hilft." Doch sie haben kein Geld. Und "Geld regiert die Welt" der Brundibárs. Die agieren einerseits wie Eltern, die die Bedürfnisse ihrer Kinder nicht ernst nehmen und sie mit Fernsehen und Geschenken ruhigstellen. Andererseits grenzen sie die Fremden aus: "Jeder muss sehen, wo er bleibt", sagen sie. "Wir können nicht die ganze Welt retten." Sätze, wie sie in Europa zurzeit oft zu hören sind angesichts Millionen Flüchtlingen.
Die Oper ist ein Symbol für Hoffnung, Mut und Freundschaft. Die Trierer Inszenierung unterstreicht dies, indem sie den Liederzyklus "Dream" der amerikanische Komponistin Diane Abdi Robertson (von Martin Folz für Chor und Orchester arrangiert) in die Handlung integriert. Die Texte stammen von Abraham Koplowicz, der mit 14 Jahren im KZ Auschwitz ermordet wurde, und handeln vom Fliegen, von Freiheit und dem Traum einer heilen Welt.
Genau wie die Oper. Denn Aninka und Pepíc{cech}ek können Verbündete gewinnen. Mit deren Hilfe gelingt es den Geschwistern, die Oberhand über die Ignoranz der Brundibárs zu erhalten.
"Ihr müsst auf Freundschaft bauen, den Weg gemeinsam gehen, auf eure Kraft vertrauen und zueinander stehn", ist denn auch die Kernaussage der Oper des tschechischen Komponisten Hans Krása und des Librettisten Adolf Hoffmeister aus dem Jahr 1938. Diese wurde nach Krásas Inhaftierung mehr als 55 Mal mit eingekerkerten Kindern und Musikern im KZ Theresienstadt aufgeführt.
An die Erstehungsgeschichte erinnern die Wachtürme und der Stacheldraht auf den Kulissen, aber auch der große Ofen, der im Stück zum Kuchenbacken dient. Dank des Drehelements verwandeln Eva-Maria Henschkowski und Lolita Dolores Hindenberg die Bühne ruckzuck von der Backstube und Milchfabrik in ein feudales Wohnzimmer. Die Kostüme halten die Ausstatterinnen betont schlicht: im unschuldigen Weiß (inklusive Perücken) für die Aninkas und Pepíc{cech}eks, während die Brundibárs im Business-Braun gekleidet sind.
Die Kostüme sind mit ebenso viel Liebe zum Detail gestaltet wie die orchestrale Begleitung. Malte Kühn leitet die Musiker des Philharmonischen Orchesters mit viel Fingerspitzengefühl für die zarten Töne, aber auch die opulenten Klänge. Insgesamt ein stimmiges Bild: optisch und musikalisch. Und damit zu Recht laut bejubelt.
Eine weitere Vorstellung ist am heutigen Freitag um 18 Uhr. Karten gibt es an der Theaterkasse.

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