Bukowskis singen Rock und Pop

Manchmal gibt es die skurrilsten Begegnungen. Da trifft beispielsweise der aus Trier stammende Sänger Michael Kiessling, der seit Jahren mit Charles-Bukowski-Programmen durch die Lande zieht, bei der Produktion eines Musicals in der Tufa auf zwei Musiker aus Konz, die tatsächlich Bukowski heißen. Prompt fasst man Zuneigung, und es entsteht ein spontanes Konzert-Projekt.

Trier. Die Zusammensetzung des Publikums im Keller der "Produktion" am Domfreihof an diesem Abend ist eigenwillig. Die eine Hälfte der Zuhörer sieht so aus, als sei sie mit einem Auto angereist, auf dessen Heckscheibe "Abi 07" steht. Die andere Hälfte sieht so aus, als hätte sie das Fahrzeug in ihrer Eigenschaft als Papa, Mama oder Patenonkel finanziert. Musik für Eltern und Kinder? Bukowski meets Zuckowski? Merkwürdige Gedanken, die einem beim Warten auf den Auftritt durch den Kopf gehen."Oft gehört, aber immer wieder schön"

Als die Akteure des Abends da sind, löst sich das Rätsel. Die Alterspyramide im Saal entspricht etwa derjenigen auf der Bühne, und jeder hat seine eigenen Fans mitgebracht. Michael Kiessling könnte locker der Vater seiner Mitmusiker sein. Und doch drängt sich im Laufe des Konzerts die Erkenntnis auf, dass da mitnichten musikalische Welten zwischen den Generationen liegen. Der Auftakt gehört Gert und Daniel Bukowski alias "Tunessy" allein. Das sind sanfte, eingängige Pop-Balladen mit der heiteren Melancholie der Singer-Songwriter. Ein "Oft gehört, aber immer wieder schön"-Gefühl breitet sich im Kellergewölbe aus. Dabei sind es überwiegend Eigenkompositionen, aber das merkt man erst, wenn man beim Mitsingen feststellt, dass man den Titel gar nicht kennt. Extrem originell ist das nicht, aber doch authentischer und echter als zehn Spielzeiten "Magic Moments" zusammen. Und es ist auf allerhöchstem Niveau zweistimmig gesungen. Wie zu den besten Zeiten der Reminders

So brillant hat das in Trier zuletzt in den besten Zeiten der Reminders geklungen - sicher kein Zufall, dass deren Stimm-Akrobaten Manfred Heinz und Erich Fahl an diesem Abend zur Zuhörerschaft zählen. Nach einem wunderhübschen, von einem hochstimmigen Backgroundchor aus den ersten Reihen begleiteten Cover des Commodores-Hits "Easy" stimmt Keyboarder Gert Bukowski Cat Stevens' "Wild World" an, aus der Galerie löst sich eine schmale Gestalt und begibt sich gemessenen Schrittes auf die Bühne. In dem Moment, als Michael Kiesslings Reibeisen-Kehle in die Schmonzette einstimmt, entsteht der gleiche Effekt, wie wenn man in einen leichten, süßen Longdrink einen kräftigen Schnaps hineingießt: Das Getränk ändert seinen Charakter. Die Bukowskis klingen nicht mehr so "easy", aber Kiessling klingt auch nicht so düster wie in seinen anderen Programmen. Schon der erste gemeinsame Titel überrascht: Reamonns "Tonight" kommt zwar verlangsamt, aber doch bemerkenswert munter über die Bühne. Das anschließende "Junimond" sorgt für kollektives Mitsingen - die Älteren kennen es von Rio Reisers Original, die Jüngeren wahrscheinlich als Hit von "Echt". Reisers berührendes "Zauberland" sorgt für Gänsehaut-Gefühle, und ab dann läuft der Mix aus Liedermacher-Preziosen und balladeskem Pop wie Öl - als hätten sich die Musiker nicht erst vor ein paar Wochen kennen gelernt, sondern würden schon ewig zusammen spielen. Da wäre sicher noch mehr drin. In dieser musikalischen Kombination könnte sich das Rauhbein Kiessling vielleicht sogar an Brian Ferry und Ähnliches trauen. Und die sanftmütigen Bukowskis dürften eine Spur Erdigkeit hinzugewinnen. "Bridge over troubled water" als Zugabe, dann viel freundlicher Beifall. Und Vorfreude auf das Musical "Alice", für dessen musikalische Gestaltung und Umsetzung das Trio verantwortlich zeichnet. Das Musical "Alice Superstar" setzt sich ironisch mit dem Thema Castingshows auseinander. Bei dem Musical wirken rund 100 Musiker aus der Region mit. Seine Premiere findet im Theater Trier am 1. Mai statt.

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