Bunt fürs Leben

Vom Unbekannten zum Superstar in einem Jahr: Bei derlei Geschichten ist Vorsicht angebracht. Der neue englische Pop-Held Mika hat vor 6500 Zuschauern in der ausverkauften Rockhal Esch bewiesen, warum der Hype ausnahmsweise nicht trügt.

Esch/Alzette. Das Leben ist keine Hanni-und-Nanni-Folge. Auch keine endlose Kissenschlacht. "Warum nicht?", würde Mika vielleicht intervenieren. Mika - das ist Englands Pop-Hoffnung Nummer eins. Der neue Robbie Williams, sagen manche. Ein 24-Jähriger, der mit Talent und Staunen die Pop-Jahrzehnte in sich aufsaugt und sie in vier Oktaven wiedergibt, dass der Musik-Journaille so langsam die Querverweise ausgehen: Klingt nach Beatles, Elton John und Freddie Mercury. Auf den Queen-Sänger spielt Mika auch in seinem Hit "Grace Kelly" an. Bee Gees, junger Bowie, Scissor Sisters. Das alles und mehr mag man assoziieren, wenn Mika mit Querfeldein-Stimme durch die Oktaven prescht.Die Welt als Bonbon. Man mag Mika fast Recht geben, in den Minuten nach seiner kunterbunten 80-Minuten-Show in der ausverkauften Rockhal Esch: Ein Kindergeburtstag ist nichts Negatives. Auch Konfetti-Regen und Luftballons nicht. Nicht die überlebensgroßen, tanzenden Puppen auf der Bühne. Weder die Blümchen am schnöden Bassverstärker, noch der gemalte Baum der Erkenntnis als Bühnen-Hintergrund. Selbst kreischende Teenies sind nicht verfluchenswert, solange sie nicht ins Ohr schreien.

Mika, der in Beirut geboren wurde und in Paris und London aufwuchs, verbindet das alles. Die Popstile und die Generationen. Weil hinter der Klasse 8b auch Mittzwanziger tanzen. Weil die vielleicht 37-Jährige hektisch am Fotoapparat-Handy zuppelt, wenn sich Mika am Ende obenrum freimacht. Und 50-Jährige schwelgen, wie es damals war, als Elton John noch eigene Haare hatte.

Mika ist charmant, verspielt, zugleich professionell, ohne in der ewigen Wiederholung gefangen zu sein. Für die Ansagen in Luxemburg hat er sich mehr als nur ein paar Höflichkeits-Floskeln Letzebuergisch draufgepackt. Er erzählt von Plattenfirmen, die blöd genug waren, sein Demo abzulehnen. Er hopst und wirbelt im weißen Designer-Outfit mit Glitzer-Hosenträgern durch sein Bühnen-Wunderland, singt sich derweil durch unverschämt eingängige, gut gezuckerte Melodien. Beim Eurythmics-Cover "Missionary Man" fängt seine Band gar unverhofft an zu rocken.

"Es wird eine Zeit kommen, in der du dich nicht mehr schämen musst, fett zu sein", ätzte Frank Zappa einst zu süßester Pop-Melodie. Mika ist der Gegenentwurf. Für ihn ist die Welt quietschbunt wie das Cover seines Debüts "Life in Cartoon Motion": Er huldigt molligen Frauen mit Pizza- und Cola-Vorliebe (Big girl, you are beautiful) oder beschwört - doppeldeutig! - "Lollipops". Das kann man als nervigen Kitsch abtun, und ihn als weltfremden Zeichentrick-Clown. Aber vielleicht ist Mikas Ansatz der bessere.

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