DER TV PRÄSENTIERT

TRIER. Nach der Arena-Hitzeschlacht im vergangenen Sommer geriet das Trier-Gastspiel der "Ten Tenors" diesmal im Amphitheater in Trier zum Kampf gegen geradezu herbstliche Kühle. Doch die zehn Australier lassen die Temperatur vergessen - bei 14 wie bei 40 Grad.

Kann man die Hüter der Grenze zwischen E- und U-Musik noch mehr provozieren? Bei den Zugaben platzieren die Ten Tenors Puccinis "Nessun Dorma", ein Heiligtum der Klassik-Fans, und das "Rawhide" der Blues Brothers, eine Ikone für jeden Rock-Freak, unmittelbar nebeneinander. Das ist, als würde man im Fernsehen "Gute Zeiten schlechte Zeiten" und das Literarische Quartett auf den gleichen Sendeplatz setzen.Der Kontrast ist Programm. Niemand in der wachsenden "Pop meets classic"-Szene schleift die Grenzen zwischen vermeintlich ernster und vermeintlich unterhaltsamer Musik derart elegant und genial wie die Jungs aus Australien. Ob sie die Beach Boys über den Strand surfen lassen oder den Soldatenchor aus Gounods "Faust" über den Marktplatz treiben: Der Zehnerpack vom anderen Ende der Welt ist jeder Herausforderung gewachsen.Das Publikum lacht Tränen

Das Spektrum, das die Ten Tenors im antiken Ambiente aufblitzen lassen, ist enorm. Da ist Platz, die heimliche australische Nationalhymne "Waltzing Mathilda" unterzubringen, aber auch ein Medley mit Melodien von Ralph Siegel, das dem Publikum Lachtränen in die Augen treibt. Und schon im nächsten Moment trauen sie sich an Bizets "Je crois entendre encore", eine Arie, deren knifflige Höhe selbst Spitzentenören den Angstschweiß auf die Stirn treibt.Die Vielfalt der stimmlichen Möglichkeiten ist eines der Erfolgsgeheimnisse der weltweit einmaligen Truppe. Üblicherweise leiden Crossover-Projekte daran, dass entweder Pop-Sänger sich an klassischer Musik überheben (Helmut Lotti lässt grüßen) oder dröhnende Opernstars bei Pop-Titeln klingen wie eine Dom-Orgel in der Friedhofskapelle (Pardon, Peter Hofmann). Die Ten Tenors aber beherrschen Blues und Arien, Soul und Boogie, Tango und Musical gleichermaßen. Und sie verfügen über pfiffige Arrangeure, die keine Angst vor Schmalz haben, aber auch mit unkonventionellen Tönen umgehen können. Verdis "Va pensiero" als gegen den Takt gebürstete Hintergrund-Musik, "Funiculi Funicula" in eigenwilliger Tonart, Vangelis "Conquest of Paradise" als zelebriertes Pathos: Das ist nie peinlich, nicht zuletzt, weil es mit einem gehörigen Schuss Ironie über die Rampe kommt.Die zehn Herren erfüllen alle Tenor-Klischees und spielen gleichzeitig damit; sie schmettern und säuseln, tänzeln und girren, marschieren und extemporieren, lachen und flirten - kein Wunder übrigens, dass die eingangs vom weiblichen Publikum eingeforderten "spitzen Schreie" gegen Ende immer unüberhörbarer werden. Einwände? Na ja, wenn man sich schon zehn Tenöre leistet, müsste man nicht unbedingt an Bass und Schlagzeug sparen. Wenn der fette Sound, etwa bei Queen's "Bohemian Rhapsody" komplett aus dem Synthesizer kommt, schleicht sich unversehens der Verdacht ein, auch die eine oder andere der perfekten Gesangspassagen könnte aus dem Sampler stammen statt aus den Kehlen der Sänger. Aber das ist wahrscheinlich so ungerecht wie der Doping-Verdacht bei sportlichen Höchstleistungen. Fotos in unserer clickme-Galerie

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