"Da kann man ja nicht mehr hingucken"

TRIER. 2000 Besucher sahen am Freitagabend in der Arena Trier den Chinesischen Nationalcircus mit seiner Show "Mulan – Ein Märchen aus Akrobatik und Poesie". Der TV präsentierte das hochkarätige Spektakel.

"So eine große Produktion vom Chinesischen Nationalcircus hatten wir noch nie in Trier", zeigt sich Arena-Chef Wolfgang Esser kurz vor Veranstaltungsbeginn gut gelaunt. Kein Wunder. Während hinter der Bühne die 27 Artisten aus Fernost auf ihren 92. Einsatz in dieser Tournee warten, strömen rund 2000 Gäste in die Großraumhalle - 1000 Sitzplätze bleiben jedoch leer. Das ganze Nordareal der Arena ist zur Bühne umfunktioniert worden. Die ist allerdings etwas hoch aufgebaut. Pech für die Inhaber der teuersten Karten direkt vor der Bühne, die im Laufe des Abends mit einer leichten Genickstarre zu kämpfen haben. Die Geschichte von Mulan, in China jedem Kind bekannt und hierzulande spätestens seit der Disney-Verfilmung präsent, zieht sich als roter Faden durch den Abend. Mit schicksalhaftem "Bomm-bomm" einer Trommel aus dem Off startet das "zauberhafte Akrobatikmärchen", wie eine Stimme verheißt. Und dann die Überraschung: Nicht etwa fernöstliche Klänge begleiten die zweistündige Show. Sondern Auszüge aus Beethovens "Fidelio" und Interpretationen von Mozart oder Liszt. "Wir wollen kein klischeehaftes Chinabild, sondern das moderne China zeigen", erklärt Tourneeleiter Michael Schmelich später. "Die Verbindung zu europäischer Klassik ist in China enger als hier." Freunde klassischer Musik dürfte das Musik-"Experiment" (Schmelich) in der Inszenierung gefreut haben. Wiedererkennungswert haben für regelmäßige Zirkusgänger auch manche der artistischen Darbietungen. Allerdings bewegen sie sich auf höchstem Niveau, das andere Zirkusse schwerlich vorweisen können. Etwa die Luftnummer zu Beginn, bei der die Akrobatin ungesichert aus neun Metern Höhe in die Tiefe fällt und von den Füßen des Partners aufgefangen wird. Da entschlüpft der Sitznachbarin nur noch ein "Oh Gott". Fortan verfolgt sie die Show mit geöffnetem Mund. Meterhohe, raubtiergleiche Sprünge durch sich drehende Ringe, hochkarätige Jonglage, eine urkomische, rasante Hüte-Nummer und spektakuläre Kautschuk-Artistik - "Da kann man ja nicht mehr hingucken", stöhnt jemand in Anbetracht verbogener Körper. Hervorragend die Zaubernummer, bei der den Besuchern Spielkarten nur so um die Ohren fliegen. Dann der Höhepunkt des Abends mit dem Stühlestapler Liu Xingbo, der in seiner Heimat als Star verehrt wird - in neun Metern Höhe ungesicherte Akrobatik vom Feinsten. Zuschauer reagieren begeistert

Ob die pathetische Rahmenhandlung von Mulan, die anstelle des Vaters für den Kaiser in den Krieg zieht, in Anbetracht der spektakulären Körpereinsätze überhaupt für die Produktion nötig ist? "Die Chinesen finden es gut, Spitzenakrobatik mit einer Geschichte zu präsentieren", sagt Schmelich. Auch beim Trierer Publikum kommt die Kombination gut an: Das Publikum verabschiedet sich stehend Beifall klatschend von der Truppe.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort