Das Auge hört mit

TRIER. (gkl) Entsprechend der dunklen Jahreszeit stand beim zweiten Sinfoniekonzert der Trierer Philharmoniker das "Dies irae" im Mittelpunkt. Mit dem Pianisten Detlev Eisinger war ein Solist zu Gast, der technisch und musikalisch begeisterte.

Erfolgreich auf der ganzen Linie - anders kann man den Verlauf des zweiten Sinfoniekonzerts im Trierer Stadttheater, überschrieben mit "Danse macabre", nicht bezeichnen. Viele Bravorufe, ein zufriedenes Publikum und auch zufriedene Akteure, wann gibt es das schon einmal? Dies wiegt um so mehr, als Generalmusikdirektor István Dénes mit dem Programm die Latte des Anspruchs für den makaberen Abend recht hoch gelegt hatte. Freilich, mit der "Symphonie Fantastique" von Hektor Berlioz und mit dem "Totentanz" von Franz Liszt kann man sein Publikum immer begeistern. Das Rhythmusgemetzel in John Adams "Lollapalooza" aus dem Jahre 1995 kann, alleine schon wegen der massiven Schlagzeugbesetzung, für Musikliebhaber, deren Ohren nicht unbedingt auf zeitgenössische Klänge geeicht sind, zumindest ein Augenschmaus sein. Man darf nie vergessen: Das Auge hört mit. Das "Dies irae" aus der Liturgie des Requiems ist besonders im 19. Jahrhundert immer schon ein besonderer musikalischer Höhepunkt in den verschiedenen Vertonungen gewesen. Man erinnere sich nur an Giuseppe Verdi oder an Berlioz, durch deren Ausdeutung dem Zuhörer das kalte Grauen und die nackte Angst entgegen schlagen. Ob es theologisch haltbar ist, diesem bedrohlichen Teil der Totenfeier ohne die tröstlichen Aspekte etwa eines "In Paradisum" Gestalt zu geben, mag dahingestellt sein. Tatsache ist, dass Liszt hier ein packendes, mitreißendes Werk geschaffen hat, dem sich der Zuhörer kaum entziehen kann. Voraussetzung aber sind natürlich fähige Ausführende. In dieser Hinsicht ließen sowohl die Philharmoniker im Allgemeinen als auch der Solist Detlev Eisinger am Flügel im ganz Besonderen keinerlei Wünsche offen. Mit grandioser Virtuosität bewältigte Eisinger die Anforderungen, ohne jedoch die Musikalität zu vernachlässigen. Ein Konzertbesucher meinte: "So macht es Spaß, einen Techniker zu beobachten und ihm zuzuhören."Das Leben: von der Wiege bis zur Totenbahre

Von Adams und Liszt in Fahrt gebracht, war es für Dénes und seine Musiker ein Leichtes, die Episoden eines Künstlerlebens nachzuzeichnen. Farbenreichtum zeichnete Dénes' Interpretation aus. Er projizierte überaus lebendige Bilder auf die Bühne, ließ das Publikum teilhaben an den Erlebnissen und Visionen des jungen Musikers, von der Liebe bis hin zur scheinbar realen Totenbahre. Tatsächlich gab es kein Register bei den Philharmonikern, dem man Komplimente vorenthalten müsste. Von der eindrucksvollen Schlagzeugertruppe über die exzellenten Bläser bis hin zu den sehr disziplinierten Streichern vertieften sich alle in das Werk und ließen es aus einem Guss erklingen. Einzig wäre es wünschenswert gewesen, einen satteren Streicherklang, namentlich in der Bassgruppe, zu hören. Das aber kann man nicht den Musikern anlasten. Das Volumen von vier Kontrabässen ist nun einmal, wenn es noch kultiviert klingen soll, beschränkt. Ein Abend, der den Titel "Erlebnis" verdiente, mit gerechtfertigtem, langem Applaus.

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