Das Déjà-vu vom Weltuntergang

LUXEMBURG. Die Rückkehr des Rocktheaters: Die Kanadier "The Musical Box" versetzen in der Luxemburger Messehalle 1000 begeisterte Zuschauer zurück in die Frühzeit von "Genesis".

Die Apokalypse kommt im Neun-Achtel-Takt daher - und sie erleuchtet Peter Gabriel. Da steht er nun auf der Bühne in Luxemburg, so seltsam jung, seine geschminkte Augenpartie strahlt neongelb im Schwarzlicht. Das knallrote Riesen-Dreieck auf seinem Kopf verdeckt das lange wallende Haar. Der Untergang ist nah, das ist klar, der krumme Takt kostet jedes Leben. "666 is no longer alone", droht Gabriel, der frühere Erzengel unter den Rock-Theatralikern, teuflisch ins Mikro. Schon gut. So bedeutungsschwanger wie damals im epochalen und epischen Genesis-Stück "Supper's Ready" (ging über eine ganze Plattenseite) ist die Welt drei Jahrzehnte später nicht mehr. Die Rockmusik schon gar nicht. Peter Gabriel hat der Apokalypse und den Haaren längst tschüss gesagt und - wenn man denn so pingelig sein möchte: Er steht auch nicht in der Luxemburger Messehalle auf der Bühne. Das ist "nur" sein Doppelgänger Dennis Gagne. Der Kanadier sorgt mit den vier Kollegen von der Tribute-Band "The Musical Box" für die kunst-rockige Verwirrung, das Déjà-vu vom Weltuntergang und das kollektive Eintauchen in die 70er jenseits der Pril-Blümchen-, Abba- und Moonboots-Romantik. Das künstlerische Frühwerk von Peter Gabriel, Phil Collins & Co. ist bei "The Musical Box" in den besten Händen. Gagne singt nicht nur exakt wie Gabriel, er sieht auch so aus - auch wenn Gabriels früherer Hang zum dicken Make-Up die Ähnlichkeit sicher begünstigt.Kunst-Unterricht für die Nachgeborenen

Das bestätigen in Luxemburg auch die Älteren, die schon 1973 die "Selling England by the Pound"-Show gesehen haben, die nun von den Kanadiern über zwei Stunden lang exakt reproduziert wird. Die "Nachgeborenen" glauben es gern: Bei so viel Liebe zum Detail - von der ersten spleenigen Ansage bis zum letzten Licht- und Soundeffekt ist alles perfekt kopiert - wird aus einem "Tribute" schnell eine echte Hommage. Das klappt aber auch nur, weil die Kanadier, die zum ersten Mal auf Europa-Tournee sind, ihre Instrumente perfekt beherrschen. Die epischen, selten unter zehn Minuten langen Genesis-Kompositionen sind vollgepackt mit allerlei Taktwechseln, Breaks und Instrumental-Passagen und daher höllisch schwer zu spielen. "Besser als das Original", befand daher selbst "Genesis"-Michael Rutherford einmal nach einem "The Musical Box"-Konzertbesuch. Gagne ist Gabriel, mag man glauben. Er brilliert mal in der Maske des alten Mannes mit seinen fleischlichen Phantasien, mal als Britannia im Union-Jack-Outfit - da darf die Apokalypse gerne wiederkommen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort