Das Kerngeschäft läuft gut

Während andernorts Theater über Zuschauerschwund klagen, verzeichnet das Trierer Haus trotz wachsender Konkurrenz in der Nachbarschaft konstante Zahlen. Bei den Antikenfestspielen hat man sich dagegen mit den Ausgaben erheblich verkalkuliert.

Trier. Was der Kulturdezernent diese Woche im zuständigen Ausschuss vorlegte, klang zunächst sogar nach sensationellen Zuwächsen. Das Theater habe 11 000 Besucher mehr als in der Vorsaison verzeichnet, sagte Ulrich Holkenbrink, das sei ein "großer Erfolg". Prompt gratulierten die Fraktionen artig. CDU-Ausschussmitglied Ignaz Bender sprach gar von "einer der besten Spielzeiten der letzten Jahrzehnte".Hätte man dem Ausschuss das zwölfseitige Zahlenwerk nicht erst in der Sitzung vorgelegt, wäre den Kommunalpolitikern vielleicht aufgefallen, dass der Zuwachs gar nicht in Trier, sondern in Merzig angefallen war. Weil die städtischen Philharmoniker im Saarland gegen gutes Geld als Orchester aushalfen, rechnete man kurzerhand 14 000 Zuschauer aus der dortigen Zeltoper in die Trierer Besucherzahl ein. Dabei wären solche Zahlen-Tricks gar nicht nötig. Rechnet man die Mogelpackung ab und setzt im Gegenzug in Rechnung, dass das Orchester wegen des Gastspiels ein paar Konzerte weniger gab, dann kommt man auf eine konstante Besucherzahl von etwa 120 000. Nimmt man das "Kerngeschäft" im Großen Haus, dann kann Intendant Gerhard Weber in den letzten drei Spielzeiten von 91 000 über 94 000 auf 98 000 eine stetig wachsende Akzeptanz vermelden. Dazu tragen allerdings auch fremde Gastspiele wie das äußerst erfolgreiche "Janis"-Musical bei. Unter den "Top drei" der Besucher-Lieblinge ist erneut keine Oper. Ganz vorne platzierte sich die Operette "Eine Nacht in Venedig" (8300) vor den Schauspielen "Andorra" (7500) und "Dreigroschenoper" (7100). Wie stets außer Konkurrenz: Das Kinderstück "Der Lebkuchenmann" mit 18 600 (nicht nur) kleinen Fans. Einziger Flop: Das Schauspiel "Wellenreiter". Die schwächelnde Opern-Sparte hat sich unterm Strich nach dem Einbruch beim Intendanten-Wechsel deutlich erholt und legt weiter zu. Selbst schwere Kost wie "Wozzeck" (3400) findet reichlich Zuspruch. Das Tanztheater darf sich trotz risikoreicher, nicht auf Mainstream setzender Produktionen gleichfalls über Zuwächse freuen. Das erstmals angebotene Kinder-Ballett ist mit 95 Prozent Platzbelegung sogar der "Auslastungs-König" der Saison. Zumindest im Studio scheint sich die Antipathie des Trierer Publikums gegen Wiederaufnahmen gelegt zu haben. "Kälte", "Kontrabass" und "Lola Blau" räumten dort ordentlich ab, Neuproduktionen blieben allerdings recht dünn gesät.Gab die Saison-Bilanz des Theaters Grund zur Zufriedenheit, so fiel in die Bilanz der Antikenfestspiele ein dicker Wermutstropfen. Knapp 100 000 Euro Miese machte das Festival. Schwer erklärlich, lagen doch Besucherzahl (10 500) und Auslastungsquote (83 Prozent) trotz der Wetter-Malessen über der Kalkulation. Durch die "Infrastruktur-Probleme" im Amphitheater hätten sich zusätzliche Kosten ergeben, teilte Verwaltungsdirektor Werner Reichert mit. Zudem seien zwei wichtige Sponsoren ausgefallen.Offenkundig hat das Finanzloch im Rathaus zu der Überlegung geführt, wieder in die (kostengünstigeren) Kaiserthermen zu wechseln. Intendant Weber plädierte dagegen nachdrücklich für seine spektakuläre Nabucco-Produktion mit dem Künstler HA Schult im Amphitheater - "auch wenn es etwas mehr kostet". Erst kürzlich hatte sich eine von OB Klaus Jensen einberufene interne Expertenrunde ausdrücklich für eine "Fortentwicklung der Antikenfestspiele als herausragende touristische und kulturelle Attraktion" ausgesprochen. Meinung Klärungsbedarf Wer Schaden vom Theater und den Festspielen abwenden will, muss einige Dinge zügig klären. Zum Beispiel, ob man den behutsamen Erneuerungskurs von Gerhard Weber fortsetzen will. Wenn ja, dann gibt es keinen Grund, den Theaterchef in harten Zeiten zappeln zu lassen. Stabilität ist gefragt. Das gilt auch für die Festspiele. Wer Fortentwicklung will, sollte die Billig-Version in den Thermen mit halbierten Zuschauerzahlen und Rumpf-Konzept vergessen. Oder man müsste, wie es CDU-Kultursprecher Ulrich Dempfle zu Recht angemerkt hat, auf das Label "Antikenfestspiele" ehrlicherweise ganz verzichten. Geklärt werden muss auch, wie das Theater künftig kaufmännisch geführt wird. Dabei kann die Lösung nicht darin bestehen, im Rathaus zu schauen, ob man noch einen unversorgten Amtsleiter übrig hat. Gebraucht wird ein Manager, der frischen unternehmerischen Wind ins Haus bringt. Last not least ein Appell: Bitte keine Potemkin'schen Dörfer in der Besucherstatistik. Dort hinein gehört, was im Haus stattfindet - und das, was das Haus selbst produziert, aber anderswo zeigt. Aber wenn private Veranstalter das Trierer Orchester für eigene Produktionen außerhalb der Region Trier mieten, hat das in der Besucherstatistik des Theaters nichts zu suchen. Sonst sind seriöse Vergleiche unmöglich. d. lintz@volksfreund.de

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