Das Meer am Ohr eines Kindes

Die alten Griechen und das Meer: Die wertvollen Fischteller im Luxemburger Nationalmuseum erzählen spannende Geschichten davon. Die Schau entstand in Zusammenarbeit mit dem Landesmuseum für Vorgeschichte Dresden und dem Naturkundemuseum Berlin.

 Fischteller aus der Sammlung Florence Gottet. TV-Foto: Eva-Maria Reuther

Fischteller aus der Sammlung Florence Gottet. TV-Foto: Eva-Maria Reuther

Luxemburg. "Thalassa, thalassa" - das Meer, das Meer riefen erleichtert die müden griechischen Krieger auf dem Rückzug vor den Persern. "Tralala, tralala", macht unsereins als Schüler aus dem berühmten Schrei. Was die Sache im Grund auch trifft. Die Verbindung zwischen Griechen und Meer ist eine alte, spannende und randvoll gefüllte Beziehungskiste. Nicht ohne Grund irrt Odysseus durchs Meer, statt nach dem Motto "soweit die Füße tragen" im Land herumzuziehen. Als erfolgreiche Seefahrernation kontrollierte und kolonialisierte Griechenland über lange Zeit gemeinsam mit den afrikanischen Phöniziern den Mittelmeerraum. Im Meer vermutete man aber auch jene "Inseln der Glückseligen", wohin die Toten auf den Rücken von Delfinen getragen wurden.Jetzt ist neuerlich altgriechische Freude am Meer angesagt. Die griechischen Fischteller aus der Sammlung der kleinen Florence Gottet sind gleichermaßen ein Hochgenuss für Altertumsfreunde wie für Liebhaber schöner Dinge. Sozusagen als Ersatz für die geliebten Tauchausflüge hatte das Schweizer Sammlerehepaar Stephan und Jeannette Gottet die schwarz-roten Kostbarkeiten seiner todkranken Tochter geschenkt. Das kleine Mädchen, begeistert wie die meisten Kinder, träumte sich beim Anblick von Brassen, Seepferden und Delfinen fort in eine andere unbeschwerte Unterwasserwelt. "Lachen und schwatzen die Fische wie wir und worüber?" wird Florence in der Einleitung zum Katalog zitiert, die zum Anrührendsten gehört, was je in einem Vorwort geschrieben wurde. Der größte Teil der umfangreichen Sammlung stammt aus dem 4.Jah.v. Chr. Hergestellt wurden die meisten Teller in griechischen Werkstätten im kolonisierten Unteritalien. Allein der erstklassige Erhaltungszustand der rotfigurigen Teller, die mit ihren trompetenförmigen Füßen wie eine Mischung aus Teller und Fußschale wirken, ist bemerkenswert. Großartig ist zudem die Ausdrucksvielfalt. Wer sich etwa das Gesicht des Seeteufels auf dem Teller aus Potenza anschaut, der versteht Florence Gottets Frage nach dem Wesen der Fische.Woher der Fisch der Christen kommt

Das Universum einer lebendigen, dabei geheimnisvollen Unterwasserwelt erschließt sich aus der Bildersprache dieser Teller. Wer genauer in sie eintaucht, wird zudem erkennen, wie sehr sich die christliche Fisch-Symbolik aus der Bilderwelt der Antike nährt. Wofür die Teller verwandt wurden, ist bis heute ungeklärt. Womöglich dienten sie mit ihren Vertiefungen in der Mitte zum Servieren von Fischgerichten und Soßen. Fest steht zumindest, dass sie als Grabbeigabe den Toten auf die Fahrt in die ewigen Fischgründe mitgegeben wurden. Ergänzt werden die Schaustücke durch Fossilien und Fischpräparate. Sehr informativ sind die ausgehängten Begleittexte. Man sollte sich unbedingt Zeit zum Lesen nehmen. Die schönste Beschreibung für diese Sammlung hat übrigens im Katalog Raymond Quenau gegeben: "Das ganze Meer am Ohr eines Kindes, das staunt". Die Schau so anzugehen, ist nicht das Schlechteste.Bis 8. Juni, Di - So 10-17 Uhr, Do bis 20 Uhr, Mo geschl. , 24.3.(Ostermontag)´, 12.5.(Pfingstmontag) 10-17 Uhr, 1.Mai 10-20 Uhr, Katalog 30 Euro, Tel.: 00352 47 93 30-1, www.mnha.lu

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