Das Phantom der Oper

TRIER. Zum ersten Mal seit Mitte der 80er Jahre landet am Wochenende der "Fliegende Holländer" wieder im Trierer Theater. Der Aufwand auf der Bühne ist ebenso groß wie das Ballyhoo drumherum.

Das amerikanische Touristenpaar im Schiffs-Café starrt leicht irritiert auf die beiden Herren, die da an der Reling stehen und kraftvoll von Stürmen und Südwind singen. Auch den begleitenden Pianisten auf dem Bootssteg in Zurlauben streift manch neugieriger Blick. Das Theater wirbt für seine neueste Produktion, und wo könnte man für eine Seemanns-Oper besser Reklame machen als auf einem Schiff? Selbst wenn der gemütliche Moselklipper "Undine 2" wenig gemein hat mit jenem Segler "Thetis", auf dem Richard Wagner einst in stürmischer Nacht über die Ostsee vor seinen Gläubigern fliehen musste - was ihm eine deftige Seekrankheit und der Nachwelt eine berühmte Oper einbrachte. Die Historie ist allerdings auch auf der Bühne für Regisseur Matthias Kaiser allenfalls eine Ideen-Quelle, keine Regie-Anweisung. Das wird schon am Prunkstück der Ausstattung deutlich, einer sieben Meter hohen Schiffsschraube. An Dampf- und Motorkraft wird Richard Wagner nicht unbedingt gedacht haben, als er seinen ewig umherirrenden Kapitän erfand. Andererseits: Die Erfindung der Schiffsschraube fällt zeitlich fast mit der Entstehung des "Holländers" zusammen, liegt sogar knapp davor. Für solche Spiele mit dem Zeitkolorit hat Kaiser ein Faible. Keine Überraschung also, dass die Kostüme von Angela C. Schuett in den späten 20er Jahren des 20. Jahrhunderts angesiedelt sind, am Vorabend der Nazi-Diktatur. Matthias Kaiser kann, was nicht jeder Regisseur kann: In wenigen Sätzen seine Ideen und Konzepte skizzieren. Sein "Otello" im Jahr 1999 war ein Höhepunkt der letzten zehn Trierer Opernjahre. "Bis ins kleinste Detail durchdacht, filigran umgesetzt", schrieb damals der TV über die konsequent stilisierte Inszenierung. Lange Jahre prägte Kaiser als Operndirektor das Staatstheater Saarbrücken. Jetzt, da dort angesichts von Sparzwängen und Intendanten-Abgang Endzeitstimmung herrscht, kommt er nach Trier zurück, um seinen allerersten Wagner in Szene zu setzen. Die "Unbedingtheit der handelnden Personen" interessiert ihn, und die Gefahr, die entsteht, "wenn der Untergang als Erlösungsidee zur Ideologie wird". Spricht's, und dreht sich am Moselufer nervös eine weitere Kippe. Derweil plagen sich die Bühnenarbeiter im Theater mit der Frage, wie man das Schiffsschrauben-Monstrum so bewegt, dass dem Publikum bei der Premiere am Samstag nicht angst und bange um die Akteure wird. Auf eine halbe Tonne schätzt der technische Direktor Franz Münzebrock das Trumm, das an drei Trageseilen hängt. Aber auch andere müssen schwere Lasten tragen: "Das Ding wiegt 15 Kilo", stöhnt "Holländer" Laszlo Lukacs über sein Kostüm für den legendären "Holländer-Monolog", den er gleich zu Anfang stemmen muss. Und "Senta" Vera Wenkert plagt sich mit einem Gipsarm herum, der erst pünktlich zur Premiere fällt. Luxemburger Presse lobt Trierer Orchester

Dafür schmettert das Orchester schon bei den Proben das Vorspiel, als sei man unter gewieften Wagner-Spezialisten. Kein Wunder, hat man das konzertante Stück doch kürzlich bei einem Gastspiel in Ettelbrück zu Gehör gebracht und dafür höchstes Lob der luxemburgischen Fachpresse ("eine saubere Leistung", Luxemburger Wort) eingeheimst. Auf dem Zurlaubener Schiffsausleger geht unterdessen der Presse-Termin zu Ende. "Bei Wagner muss man immer einiges bewegen", sagt Dramaturg Peter Larsen. Die Nebelbänke über der Mosel lösen sich langsam in der Vormittagssonne auf. "Am Nebel müssen wir heute Nachmittag noch arbeiten", bemerkt der Regisseur. Er meint natürlich den im Theater. Premiere : Samstag, 15. Oktober, 19.30 Uhr. Nächste Termine: 21. und 25. Oktober; 18., und 26. November.

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