"Das Problem ist der Wissensmüll"

MERZIG. Zum Kongress der Forschergemeinschaft "Transcultura" hatte der Rechtsinformatiker Maximilian Herberger (Uni Saarbrücken) nach Merzig eingeladen. Prominentester Tagunggast war Umberto Eco.

 Gerät in Fahrt, wenn er sich zur Entwicklung der Gesellschaft äußert: Umberto Eco.Foto: Eva-Maria Reuther

Gerät in Fahrt, wenn er sich zur Entwicklung der Gesellschaft äußert: Umberto Eco.Foto: Eva-Maria Reuther

"Unser Zeitalter wird beherrscht von der Diktatur der Beliebigkeit." Wenn er das sagt, gerät Umberto Eco in Fahrt. "Wir glauben, dass wir tolerant sind, dabei haben wir lediglich zu nichts einen klaren Standpunkt."Mit Kaffee und Zigarette

Zum Kongress des Forschernetzwerkes "Transcultura" ist der italienische Wissenschaftler und Erfolgsautor nach Merzig gekommen. Müde wirkt der Verfasser des "Name der Rose" im Sitzungssaal der örtlichen Sparkasse, und Kopfschmerzen hat er auch. Bevor er den Journalisten antwortet, braucht er erst mal einen Kaffee und eine Zigarette. Und dann - als wär‘s sein Haus in Mailand - schiebt der Mann, der nach eigenen Aussagen das kulturelle Gedächtnis der Menschheit zum Lebensort gewählt hat, erst einmal der Gegenwart einen Riegel vor. Fragen zu seinen Büchern wünscht er nicht und wohl auch keine zu seiner Person. "Welche Sprache?" - die Antwort ist kurz. Englisch oder Französisch geht, Deutsch versteht er ein wenig, sagt Italiens prominentester Intellektueller. Schließlich - und da wird es dann doch ein bisschen persönlich, sei er mit einer Deutschen verheiratet. "Wenn sie etwas Negatives über mich sagt, verstehe ich das schon", lacht Italiens Intellektuellen-Pavarotti. Toleranz zu üben und sich in die kulturelle Rolle des anderen zu versetzen ist das zentrale Anliegen von "Transcultura", deren Mitbegründer Eco ist. "Toleranz heißt auf keinen Fall alles gleich zu machen, sondern die Andersartigkeit fremder Kulturen zu respektieren, stellt der Professor der Universität Bologna fest. Im übrigen: Ein wenig ist es bei der Konferenz wie in Ecos Büchern. Als Themencollage mit allerhand Querverweisen entwickelt sich das Gespräch. Eine "transkulturelle Enzyklopädie der Worte und Schlüsselbegriffe" strebt die Vereinigung an. Beim Stichwort Wissen und Wörter ist der Zeichentheoretiker in seinem Element: "Wissen gibt es im Internetzeitalter für jedermann" winkt Eco ab. "Das Problem ist der Wissensmüll. "Wie sortieren wir Wissen aus, ist derzeit die wichtigste Frage." Und dann sagt er doch noch etwas zu seinem neuen Buch "Geschichte der Schönheit". "Ich will darin zeigen, wie sich der Begriff im Lauf der Zeit verändert hat. Keine Frage - ein Fest für einen, der sich mit der Aussagekraft von Zeichen beschäftigt. Neu ist das alles nicht, was Eco sagt, auch später nicht, wenn er über den Krieg im Zeitalter des Terrorismus referiert. Manches bleibt wenig differenziert, etwa wenn er kritisiert, dass Berichterstattung über Kriegsgewalt Kollaboration mit der Gewalt bedeute. Aber es klingt ungemein interessant aus dem Mund des 31-fachen Ehrendoktors.

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