Das Tüpfelchen auf dem i

Trier. In der ehemaligen Reichsabtei St. Maximin sollte es ein furioses Finale der ersten Kulturgartenschau Deutschlands geben, wie im Programmheft zu lesen war. Auch Karsten Müller, künstlerischer Leiter des Blumen- und Kulturevents, versprach in seiner Moderation, dass mit dem Abschlusskonzert die LGS ihr i-Tüpfelchen erhalten sollte.

Die Elemente, die Trier 186 Tage mit aller Intensität begleitet hatten, sollten zum Abschluss noch einmal ihren ganzen Zauber entfalten. Die Verantwortung hatten die Macher in bewährte Hände gelegt, denn das Jugendblasorchester Rheinland-Pfalz (JBO) unter der Leitung von Kunihiro Ochi und das Tanzensemble "ExisTanz" hatten ja schon bei der Eröffnung eindrucksvoll ihr Können unter Beweis gestellt. So entsprach der Abschluss musikalisch gesehen genau dem, was man erwarten konnte. Ein ausgezeichnetes Orchester, durch alle Register hindurch, exzellent vorbereitet, höchst diszipliniert und engagiert unter einer Stabführung, die den jungen Musikern in eindeutiger Manier zeigte, was von ihnen erwartet wurde. Großartig, wie in Ida Gotkovskys "Poème du feu" dem Feuer die Reverenz erwiesen wurde, wie Ochi in Francis McBeth's "Of Sailors and Whales" dem Publikum die Geschichte von Moby Dick musikalisch vor Augen führte. Wurde das Ohr vom JBO verwöhnt, tat "ExisTanz" für das Auge ein Übriges. Während es bei Gotkovsky auf der Bühne loderte, waren es bei Bill Whelans "Riverdance" die fließenden Bewegungen, mit denen das Wasser zu seinen Ehren kam. Man möchte es fast schon als konsequent ansehen, dass die LGS, wenn sie schon das Prädikat "Kulturgartenschau" für sich beansprucht, bei dem die Musik eine elementare Rolle spielt, einen Kompositionsauftrag erteilt und sich dabei auf die in Trier gebotenen Ressourcen besinnt. Mit Heinz Heckmann hatten die Veranstalter einen Komponisten ausgewählt, der sich dem Thema der Elemente mit geradezu liebevoller, aber auch philosophischer Poesie annahm. Mit seinen "Impressionen aus der Elementarwelt", die als Finalwerk ihre Uraufführung erlebten, gelang ihm der nicht gerade einfache Spagat, seine Vorstellungen von den Urkräften erfahrbar zu machen, dem Publikum aber genügend Freiräume zu lassen, eigene Fantasien zu entwickeln. Die Expressivität, mit der Heckmann zu Werke ging, bildete einen geschlossenen Kosmos. Alle Kräfte der Naturgewalten kamen zu ihrem Recht, die zerstörerischen ebenso wie die Leben schaffenden, die bezaubernden und die erschreckenden. Sparen darf man hier auch nicht mit den Komplimenten für das JBO, das Heckmanns Vorstellungen vorzüglich interpretierte. Bis hierhin hatte die Leitung der LGS es verdient, zur Idee des Kompositionsauftrages beglückwünscht zu werden. Man musste sich allerdings fragen, was es sollte, dass die Uraufführung mit einer Modenschau der Fachhochschule Trier unterlegt wurde. Heckmanns Komposition hätte es weiß Gott verdient gehabt, dass die Zuhörer sich voll und ganz auf die Musik konzentrieren konnten. Statt dessen wurden sie von einer großen Anzahl von Models abgelenkt, die auf der Bühne endlos lange Kreise zogen. Eine Beziehung des Bühnengeschehens zur Musik war nicht zu erkennen. Das Auge ist nun einmal ein dominanteres Organ als das Ohr. Wenn man sich schon mit einer, in diesem Fall auch noch sehr beachtenswerten Uraufführung schmücken will, sollte man ihr auch den Platz einräumen, der ihr gebührt.

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