Das Weltende in Kurzfassung

TRIER. Instrumentalmusik hat es im Amphitheater schwer. Auch das Abschlusskonzert der Antikenfestspiele am Samstag kam aus der Region matter und manchmal falscher Klangfarben kaum heraus. Bis Evelyn Herlitzius auf der Bühne erschien.

Die großen Schlachten waren schon geschlagen. Am Samstag versammelte sich das verstärkte Philharmonische Orchester Trier im Amphitheater zum letzten Gefecht der Antikenfestspiele. Intendant Gerhard Weber dankte den Sponsoren, Generalmusikdirektor István Dénes lobte den lieben Gott fürs Wetter und die Komponisten für ihre Musik und kündigte Verdis "Attila"-Ouvertüre an. Was das Programm vor der Pause zum Dreisprung erweiterte. Der nahm sich aus wie ein mattes Vorspiel. Trotz großer Streicherbesetzung klang Beethovens "Coriolan"-Ouvertüre reichlich wohltemperiert. Das Zwingende, Gewaltige, ja planvoll Gewaltsame dieser Musik zerfiel. Zwar bewährte sich die schwungvolle Theatralik der "Attila"-Ouvertüre im Amphitheater wirkungsvoll, aber mit Franz Liszts "Hunnenschlacht" hatte man erneut wenig Glück. Die Streicher bewältigten die gar nicht einfachen Partien meist mit Bravour, manchmal allerdings auch mit Missverständnissen. Nicht immer waren wichtige Bläserstellen ausreichend präsent. Die wilden Horden, von denen die Musik erzählt, traten jedenfalls nicht immer in perfekter Schlachtordnung an. Ursache dürfte die Freiluft-Akustik sein, in der alle Töne ohne Widerhall verfliegen. István Dénes vermied jedenfalls alles Zelebrieren und verfiel auch nicht der Versuchung, den matten Klang durch überscharfes Musizieren und entsprechende Verkrampfungen auszugleichen. Am Schluss griff Josef Still in die Tasten der elektronischen Orgel zu einem überfließenden Religioso. Das Christentum hatte gesiegt. Nach der Pause packten die Musiker vom zweiten Hornquartett die Wagner-Tuben aus, ohne die ein "Ring des Nibelungen" nicht auskommt, zum Weltende in einer Kurzfassung. Ausschnitte aus dem Schlussdrama "Götterdämmerung" in einem eher rüden Zusammenschnitt. Aber das Philharmonische Orchester entwickelte dieses heroische Potpourri zu einem erstaunlich farbkräftigen Bilderbogen - vom Beginn des Tages über Siegfrieds Tod und den Trauermarsch bis hin zum düster-spektakulären Schluss. Die Celli, die fabelhafte Bassklarinette, die dezenten Hörner sangen die einleitende "Morgendämmerung" aus, und den folgenden, blechgepanzerten Auftritt Siegfrieds hatte man so gekürzt, dass er dezent blieb. István Dénes zielte nicht auf martialische Wucht, sondern gab sogar dem Trauermarsch ein Stück Italianitá mit, legere Lebensfreude statt germanischer Düsternis. Was freilich nicht verhindern konnte, dass Präzision nur mittelgroß geschrieben wurde.Alle Tugenden des Liedgesangs

Und dann Evelyn Herlitzius. Sie trat auf und siegte. Welch ein sauberer, ausgewogener, von allen Verzerrungen freier und ungemein ausdrucksreicher Wagner-Gesang! Die Bayreuth-erfahrene Sängerin formt Vokale sauber, gibt den Konsonanten über die Deutlichkeit hinaus Ausdruckskraft, vermeidet mit ihrer schlanken, gradlinigen Tongebung alle Heroinen-Klischees und muss auch in höchsten Höhen nicht zu Verfärbungen oder anderen Tricks greifen. Wenn ihr Text von göttlicher Schuld und menschlichem Leid redet, dann klingen bei der Sängerin alle Tugenden des Liedgesangs auf, und Dirigent wie Orchester gehen mit, entwickeln einen bestechend warmen Klang, bauen die weiten, wellenartigen Bögen auf, die Wagners Musik auszeichnen. Ein zwingender, ein eindringlicher Schluss. Im Vip-Zelt trafen sich danach Akteure und einige Besucher zum Epilog mit Sekt und Schnittchen. Kulturdezernent Ulrich Holkenbrink sprach diplomatisch von "Höhen und Tiefen", bescheinigte den Festspielen ein "gutes Ergebnis" und bedankte sich bei allen, die irgendwie mitgemacht hatten, vor allem beim Wagner-Verband Trier, der mit Geld und Engagement dabei war. Nachdem Wagner-Verbandsvorsitzender Heinz Asshoff gleichfalls allseits Dankbarkeit bekundet hatte, löste sich der Empfang in allgemeines Wohlgefallen auf.

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