Das Wunder des Staunens

Was ist die Romantik, und wie romantisch ist unsere Zeit? Rüdiger Safranski hat beim Eifel-Literatur-Festival 350 Zuschauern im Kloster Himmerod Antworten auf diese Fragen gegeben.

 Rüdiger Safranski erläutert deutsche Geistesgeschichte. TV-Foto: Rebecca Schaal

Rüdiger Safranski erläutert deutsche Geistesgeschichte. TV-Foto: Rebecca Schaal

Himmerod. (bec) "Wir, die wir hier wohnen, sind das wimmelnde Gewürm tief unten im Kaninchenfell. Aber die Philosophen probieren, an den dünnen Haaren nach oben zu klettern, um dem großen Zauberkünstler voll in die Augen blicken zu können." Das ist Jostein Gaarders Charakterisierung der Philosophen in seinem Roman "Sofies Welt". Eine Beschreibung, die auch auf Rüdiger Safranski, den Philosophen, zutrifft. Einer, der klettert, der über den Tellerrand blicken will. Genau da liegt die Verbindung zu seinem aktuellen Lieblings-Sujet: der Romantik. Jener kulturgeschichtlichen Epoche, die Deutschland vom Ende des 18. hinein bis ins 19. Jahrhundert erschütterte. Denn die Romantiker glaubten an das Wunder, an das Geheimnisvolle, an die Unendlichkeit. Daran, sich die Träume der Kindheit zu bewahren, nur das Staunen nicht zu verlieren.

Eine Geisteshaltung die - so Safranskis Kernthese - weit über diese Zeit hinaus auf die deutsche Geschichte eingewirkt hat. Im negativen Sinne auf den Nationalsozialismus, der sich das vielbeschworene, romantische "Wir-Gefühl" zu Eigen machte. "Aber das war keine Rückkehr in die Vergangenheit. Das ist eine Perversion der Moderne", sagt Safranski.

Auch die 68er seien von der Romantik beeinflusst worden. Wider den Kapitalismus, nieder mit den Spießern! "In der Romantik hießen die Philister", sagt Safranski und zitiert aus seinem Buch "Romantik. Eine deutsche Affäre": "Sie meiden es auch, nähere Bekanntschaft mit sich selbst zu machen, es würde sie langweilen." Eines von vielen Beispielen an diesem Abend, das beweist, wie humorvoll - und im romantischen Sinn ganz und gar nicht langweilig - Safranski deutsche Geistesgeschichte erzählt.

Als eine Besucherin von ihm wissen will, wie romantisch denn unsere Zeit noch sei, zögert er nur ganz kurz. "Schauen Sie sich ,Herr der Ringe' oder ,Harry Potter' an, das sind Großereignisse, die in der Tradition der Romantik stehen", sagt Safranski und kommt zu dem Schluss: "Das Romantische ist da - aber in der Defensive."

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