Das doppelte Grauen: Theater Trier inszeniert interaktive Horrornacht und Grusel-Aufführung

Trier · Es verspricht, unheimlich, verstörend und brutal zu werden: Mit der zweiten Trierer Horrornacht und einem weiteren Abend am Grand Guignol will das Theater Trier sein Publikum das Fürchten lehren.

 Eine Szene aus dem Stück „Das System des Doktor Goudron“, das im Rahmen des letzten „Abends am Grand Guignol“ aufgeführt wurde. Von links: Alexander Kotz, Marc-Bernhard Gleißner und Julia Morgens. Foto: Petra Gueth

Eine Szene aus dem Stück „Das System des Doktor Goudron“, das im Rahmen des letzten „Abends am Grand Guignol“ aufgeführt wurde. Von links: Alexander Kotz, Marc-Bernhard Gleißner und Julia Morgens. Foto: Petra Gueth

Foto: bernd edgar wichmann (g_kultur

Trier. Sie schluchzen und schreien, wispern und husten, klopfen und trampeln. Mit schweren Schritten und großen Gesten untermalen sie ihr Schauspiel - doch ohne ein gesprochenes Wort. Eine Frau stirbt, ihr Mann ist überzeugt, dass sie lebendig begraben wird. Die Grenzen zwischen Wahn und Wahrheit verschwimmen.

Es ist ein harter Stoff, an den sich die Schauspieler wagen, und auch eine Inszenierung ganz ohne verbale Dialoge ist eine Herausforderung. Regisseur Ramón Jeronimo Wirtz spornt die Darsteller an: "Eure Gestik und Mimik und jeder Schritt müssen ganz klar hör- und erkennbar sein." Die Proben für "In The Darkroom" laufen auf Hochtouren. Das kurze Stück ist eines von fünf, die im Rahmen des "Weiteren Abends am Grand Guignol" im Theater Trier aufgeführt werden. Die Schauspieler knüpfen an die Tradition des "Théâtre du Grand Guignol" an, das Anfang des 20. Jahrhunderts das Pariser Publikum mit morbiden Geschichten und brutalen Inszenierungen schockierte (siehe Extra).

Der Dramaturg und künstlerische Gesamtleiter des Abends Mark-Bernhard Gleißner schaltet sich ein: Er gibt der Truppe aus Laien-, studentischen und anderen Schauspielern Tipps, wie sie das darstellerische Potenzial ihrer Körper ausschöpfen, wie sie schubsen und raufen, ohne einander tatsächlich umzuwerfen, wie sie schwerfällig, aber trotzdem kontrolliert, stampfen und schlurfen. "Alles, was sich langsam bewegt, schafft Angst."

Gleißner hat zusammen mit den Schauspielern auch die zweite Trierer Horrornacht erarbeitet. Nach dem großen Erfolg der ersten Auflage im vergangenen Jahr folgt das interaktive Grusel-Theater dieses Mal einem anderen Konzept: "Wir entfernen uns ein wenig von klassischen Horrormotiven und wenden uns dem Okkulten zu", verrät Gleißner. Das Publikum wird in kleinen Gruppen durch mehrere Szenen geführt, die die dunkle Seite verschiedener Religionen und Mythologien darstellen. Die Zuschauer werden integriert und sollen Geheimnisse lösen, um in der Handlung voranzuschreiten.

Was macht Gleißners Meinung nach den Unterschied zwischen Horror im Film und im Theater aus? "Das Theater ist unmittelbar und unwiederholbar. Man ist als Zuschauer direkt bei der Entstehung dabei - so kann der Horror die Grenze zwischen Schauspielern und Publikum überwinden."
Die Zweite Trierer Horrornacht beginnt am Samstag, 29. Oktober, um 18.30 Uhr in der Kapelle am Petrisberg auf dem Uni-Campus. Weitere Vorstellungen sind um 19.50 Uhr, 21.10 Uhr und 22.30 Uhr. Eine gruselige Premiere feiert das Theater Trier am Dienstag, 1. November, auf der Studiobühne: Um 19.30 Uhr beginnt Ein weiterer Abend am Grand Guignol. Weitere Aufführungen sind am 12., 13., 19. und 26. November.Extra

Der Begriff "Grand Guignol" stammt aus dem Französischen und bedeutet so viel wie "Großes Kasperle". Doch mit Kasperle-Theater haben die grotesken und makabren Stücke des Théâtre du Grand Guignol wenig zu tun. Von 1897 bis 1962 wurde in diesem Theater im Pariser Vergnügungsviertel Pigalle das Publikum mit Blut, Gedärmen und psychologischem Horror schockiert. Die effektvollen Inszenierungen gelten als Vorläufer des modernen Horrorfilms. In seiner Hoch-Zeit brüstete sich das Théâtre du Grand Guignol damit, dass angeblich im Durchschnitt zwei Zuschauer pro Aufführung in Ohnmacht fielen. ian

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