Das ewige Stirnband

Es gibt nicht viele Bands, die zugleich auf der Ü 40-Party und bei einem deutlich jüngerem Publikum funktionieren. Blondie gehört dazu. Die New Yorker Band um Sängerin Debbie Harry hat sich im ausverkauften Luxemburger "Atelier" zurückgemeldet.

 Debbie Harry. TV-Foto: A. Feichtner

Debbie Harry. TV-Foto: A. Feichtner

Luxemburg. Irgendwann kommt der Moment doch, der befürchtete: Nach einer Viertelstunde setzt Blondie-Sängerin Debbie Harry die dunkle Sonnenbrille ab - und legt sich gleich danach ein schwarzes Stirnband an. Die Fotografen, ohnehin in die sichere Entfernung verbannt, sind schon abgerauscht.

Ein Stirnband! Stigma und Leid-Textil der 80er, seitdem glücklicherweise weitgehend aus Verkehr und Gesichtern gezogen. Da konnte man sich fragen: Was soll das noch, das Ganze? Die Reminiszenzen, die Nostalgie, das Früher-gleich-besser? Die Party ist vorbei, meine Damen und Herren. In New York ist das Studio 54, Hedonisten-Hort der Spätsiebziger, längst dicht. Mittlerweile auch das CBGB, auch wenn das Shirt von Schlagzeuger Clem Burke (übrigens ein richtig guter) noch an den Punk-Laden erinnert.

Debbie Harry, 63 Jahre alt, könnte theoretisch die jüngere Schwester von Rolling-Stones-Bassist Ron Wood sein. Der hat neuerdings eine Freundin, die deutlich jünger ist als das letzte relevante Stones-Album.

Vielleicht gibt es in Kasachstan auch einen jungen, knackigen Cocktailmixer für Frau Harry, mögen diejenigen nölen, die sich zu fix abblenden lassen.

Denn die Alterskeule trifft den, der sich auch schlagen lassen will: Ex-Playmate Debbie Harry ist heute zwar weder Sexsymbol noch Grande Dame, bisweilen wirkt sie gar eher tapsig als elegant. Aber das macht den Live-Auftritt von Blondie nicht schlechter. Zum einen, weil die Band überhaupt nicht klingt, als käme sie frisch aus Opas Vinyl-Gruft. Im Gegenteil: Blondie spielen zum 30. Jubiläum das komplette "Parallel Lines"-Album am Stück, Debbie Harrys Stimme hat sich dabei kaum verändert. Da finden sich New Wave, Pop, Disco, dazu leichte Punk-Anflüge. Mit einer solchen Mischung füllt man auch heute noch die Tanzfläche der Indie-Disco.

Bestes Beispiel dafür: Nach "Parallel Lines" mit den Hits wie "Heart of Glass" oder "One Way or Another" gibt es in der folgenden Dreiviertelstunde praktisch ein "Best of". Die Zugabe "Atomic" mögen die Nicht-Zeitzeugen zuerst als Coverversion im Film "Trainspotting" gehört haben. Die noch jüngeren verbinden "The Tide is High" eher mit Atomic Kitten als mit Blondie, die das Reggae-Stück populär gemacht haben. Im Atelier tanzen am Ende die Mittvierziger, jüngere wippen mit dem Fuß, ein glatzköpfiger Jeanswesten-Träger schwenkt dazu den Metalgruß, die "Frittengabel". Das war früher vielleicht alles noch besser. Okay ist es aber immer noch.

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