Das große Ende in der Pfalz

KAISERSLAUTERN. Denkwürdiges Abschluss-Konzert der "Still Growing Up"-Tournee: Peter Gabriel und Band demonstrierten beim Open Air auf dem Kaiserslauterner Stiftsplatz, dass auch Rock mit den Jahren reifen kann.

Sonntag, 21.15 Uhr, gleich soll Peter Gabriel beginnen, und schon der dritte dicke Regentropfen trifft gnadenlos die Fön-Frisur. Das reicht. Ein paar Dutzend Wasserscheue vor der Bühne spannen trotzig den Schirm auf. So kann man in den Reihen dahinter ausgezeichnet lesen, dass man gerade "Mistwetter" erlebt (steht auf dem Schirm) oder noch einmal die Sterne auf dem blauen EU-Parapluie zählen - was unterhalb der Lichtanlage geschieht, ist ja ohnehin nicht mehr zu sehen. Unmut wächst. "Weicheier nach hinten", ruft einer in Richtung Schirm-Fraktion. Der Himmel schlichtet. Und Meckern dürfte nach dem fast zweistündigen Konzert auch niemand mehr. Die düsteren Wolken, die sich über dem Pfälzer Himmel zusammenbrauen, sind gnädig mit den 6000 Fans. Während Peter Gabriel spielt, geht kein Regentropfen runter. Schließlich haben die Anhänger schon exakt eine Woche zuvor gelitten. Da musste der Engländer den Auftritt in Kaiserslautern wegen einer Erkältung kurzfristig absagen. Die Kneipenwirte in der Innenstadt freuten sich: Sie zapften reichlich Frust-Biere, und für einen seltsamen Sonntag lang konnte man glatt glauben, die eher untouristische Pfalz-Stadt wäre plötzlich zum neuen Rothenburg ob der Tauber für Tagesausflüger mutiert. Peter Gabriel hat seine Erkältung auskuriert, entschuldigt sich auf Deutsch für die Absage in der Vorwoche und macht das Konzert zu etwas Besonderem - durch die zeitliche Verlegung wurde das Konzert auf dem Stiftsplatz zum Abschluss der fast zweijährigen "Still Growing Up"-Tour. Es wird einige Zeit dauern, bis der 54-Jährige wieder auf den Bühnen stehen wird. Vielleicht nicht mehr zehn Jahre, wie vor der Tournee. Gabriel weiß, wie er sein Publikum fesseln kann. Das hat er in dreieinhalb Jahrzehnten bei Genesis und (großteils) als Solokünstler gelernt. Zum Auftakt gibt's "Here Comes the Flood" an - in der deutschen Version, die vom Versmaß her ein bisschen holpriger ist als das Original: "Jetzt kommt die Flut", singt Gabriel, und spätestens bei "Red Rain" (vom Erfolgsalbum "So") haben der Engländer und seine perfekt abgestimmte Band um Bassist Tony Levin und Gitarrist David Rhodes die Fans im Griff. Die Mischung macht's dabei. Dass der ganz in schwarz gekleidete Sänger noch rocken kann, zeigt er in "The Tower that Ate People". Leichte World-Music-Anleihen finden sich bei der Freiheitskämpfer-Hymne "Biko" (als Zugabe) oder auch bei "In your Eyes" - was bei dem Duett vor allem am Gastsänger liegt: Daby Touré, der ein bisschen klingt wie die mauretanische Antwort auf Cat Stevens, hat schon im Vorprogramm Eindruck hinterlassen. Seine Hits spielt Gabriel erst gegen Ende. So gibt es "Solsbury Hill" vom 1977er-Debüt und "Sledgehammer" (im Glühbirnen-Anzug) gleich im Doppelpack. Ein Höhepunkt ist zudem "Games Without Frontiers", das der Sänger im Duett mit seiner Tochter Melanie singt. Gelegentlich blitzt auf, dass Gabriel vor 30 Jahren noch viel kunstrockiger, viel manierierter war: Wenn der Sänger "San Jacinto" ankündigt und von Indianern, Klapperschlangen und Mutproben erzählt, erinnert das fast schon an die frühen 70er, als der damalige Genesis-Frontmann öfter skurrile Geschichten zum Besten gab. Es ist nur eine kurze Erinnerung. Früher war eben manches anders, nicht alles schöner. Höchstens das Wetter.

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