Das ideale Stück zur fünften Jahreszeit

Großes Ausstattungstheater, jede Menge Personal auf der Bühne, dazu ein schräg-ironischer Zitatenfundus und musikalisch ordentlich Schmackes: Mit diesen Kunstgriffen von Regisseur KD Köhler und Dirigent Christoph Jung entpuppt sich der "Bettelstudent" als ideale Operette zur Fastnachtszeit.

Trier. Tja, das kommt davon, wenn ein grober sächsischer Besatzungs-Offizier eine feinfühlige polnische Adelsdame ungebetenerweise auf die Schulter küsst und sich dafür eine Backpfeife einhandelt: Drei Stunden Irrungen, Wirrungen, Täuschungen, Verwechslungen und Wendungen, zum Gaudium des Publikums. Carl Millöckers "Bettelstudent" ist, trotz des ernsthaften historischen Ambientes, eine pralle Komödie, und Klaus Dieter Köhler verlässt sich nicht auf den Wortwitz des Originals, sondern peppt die Chose szenisch kräftig auf. Dass dieser Regisseur gerne mit Zitaten spielt, ist bekannt. Und Köhler enttäuscht entsprechende Erwartungen nicht. In der großen Markt-Szene bringt er optische Anspielungen an ein Dutzend andere Operetten unter, vom Vogelhändler, Zigeunerbaron und Schwarzwaldmädel über Blume von Hawaii, Wiener Blut und Lustiger Witwe bis hin zu Land des Lächelns, Ritter Blaubart oder Wildschütz. Wer will, kann ein fröhliches Wettraten veranstalten.Symon, der Bettelstudent, weckt Erinnerungen an Elvis auf Hawaii, James Bond und Dinner for one lassen grüßen, selbst Basketballer Dirk Nowitzki ist für eine Pointe gut.Das funktioniert, so lange Köhler am Kern der Geschichte bleibt. Dass er dann auch noch Burt Lancasters (thematisch durchaus verwandten) Film "Der rote Korsar" mit der Handlung vermengt, liefert zwar eine hübsche Fecht-Szene und einen effektvollen Heißluftballon-Auftritt, entbehrt aber doch weitgehend eines dramaturgischen Sinns und führt zu Verwirrung im Saal. Da - und beim etwas umständlichen Anfang - hätte sich jene Viertelstunde einsparen lassen, die die Aufführung zu lang ist. Aber der Einwand verschwindet neben den vielen gelungenen, originellen Ansätzen und der liebevollen Personenzeichnung. Nicht zu reden von den herrlich-grellen Kostümen von Ruth Groß, die zwar einerseits in der historischen Zeit spielen, es andererseits aber so bunt treiben, dass eine gelungene Karikatur draus wird. Ein Volltreffer auch Wolf Wanningers Bühnenbild mit einer Draht-Dachkonstruktion, die den Bühnenraum je nach Bedarf als riesigen Vogelbauer, Gefängnis, malerischen Pavillon oder Bruchbude erscheinen lässt. In diesem Ambiente dirigiert Köhler mit geschicktem Arrangement eine Hundertschaft von Solisten, Chorsängern und Statisten, nebst der wackeren Winzerkapelle Oberemmel. Man ist ständig unterwegs, bewegt sich, trifft sich, formiert sich neu oder bleibt, starr eingefroren, zu einer Film-Schlussblende in imposanten Bildern stehen.Operette, wie sie Spaß macht

Ein Wunder, wie gekonnt, schmissig und charmant Christoph Jung angesichts derart schwieriger Bedingungen die musikalische Seite der Produktion über die Bühne bringt. Das ist Operette, wie sie Spaß macht: Die Musik wird ernst genommen, aber nicht unnötig dramatisiert, die städtischen Philharmoniker machen Dampf, ohne in billige Klischees zu verfallen. Der Chor ist in blendender Verfassung, meistert die größten szenischen Anforderungen, ohne musikalisch abzufallen und verstärkt mit Silvia Lefringhausen, Wolfram Winter, Tim Heisse, Carsten Emmerich, Sergej Snegirev, Yuri Dolgopolow und Fernando Gelaf auch noch überzeugend die Solisten-Riege. Glanzlichter der Aufführung sind der urkomische, sängerisch souveräne und kabarettistisch begabte Thomas Schobert als Oberst Ollendorf und die jenseits aller Soubrettenhaftigkeit angelegte, bildschön timbrierte Laura von Adréana Kraschewsky. Der Gast Michael Putsch in der Titelrolle ist ein stimmlich und darstellerisch gewandter Operettentenor mit viel Schmelz, Evelyn Czesla und Eric Rieger erfreuen als Sympathieträger-Duo Bronislawa und Jan, Eva Maria Günschmann zickt genüsslich als Gräfin Palmatica, Peter Koppelmanns famoser Kerkermeister Enterich kann sogar beim Singen sächseln, und Hans-Peter Leu hält als Diener der verarmten, aber hochnäsigen Adels-Familie stoisch die Fassade aufrecht. Fazit: Man hat sich reichlich Mühe gegeben, die Operette nicht nur als kostengünstigen Kassenfüller zu betrachten, sondern dem großen Publikum mal so richtig zu zeigen, was das Trierer Theater kann - auch dann, wenn es "nur" um populäres Repertoire geht. Eine kluge Strategie. Die Premieren-Zuschauer bedankten sich mit freudigem Beifall. UMfrage Marga Loch, Trier: "Ich war ganz begeistert. Die Stimmung ist absolut übergeschwappt. Die Kostüme hervorragend. Das Orchester schön. Ein wunderschöner, amüsanter Abend." Wolfgang Basten, Trier: "Operette funktioniert auch, wenn Comedian-Stoff umgesetzt wird - schauspielerisch und gesanglich. Schön war es, der Leichtigkeit der Gräfin-Mutter zuzuschauen. Es hat einfach nur Spaß gemacht." Felicia Grimmer, Trier: "Es hat alles gepasst. Eine Operette nach meinen Vorstellungen mit Zeitgenössischem und flotten Sprüchen." Barbara Gies, Trier: "Eine sehr nette Aufführung. Das Musikalische hat sich durchaus gelohnt. Begeistert haben mich Thomas Schobert und Adréana Kraschewski." Umfrage und TV-Fotos: Ludwig Hoff

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