Demütiges Bekenntnis und Abschied

Bei aller großartigen Chormusik, die von großen Meistern geschrieben wurde, sind die Passionen von Johann Sebastian Bach etwas ganz besonderes. Für sein letztes Konzert mit dem Fredrich-Spee-Chor hatte sich Martin Folz die Johannes-Passion ausgesucht. Die Aufführung wurde zum würdigen Abschluss einer Ära, in der er in diesem Chor und in der Stadt Trier Akzente gesetzt hat.

Trier. Es war schon ein bewegender Moment, als sich der Friedrich-Spee-Chor mit einem kräftigen und herzlichen Applaus bei seinem langjährigen Chorleiter Martin Folz nach der Aufführung der Johannes-Passion von Johann Sebastian Bach bedankte und zugleich verabschiedete. Zuvor war dieses BWV 245 in der voll besetzten Pfarrkirche in Trier-Heiligkreuz erklungen. Man kann nicht anders, als dem Chor zu attestieren: So homogen, so geschlossen hatte man den Spee-Chor lange nicht gehört. Man mochte im Vorfeld Bedenken haben, als Folz verkündete, er wolle den Orchesterpart von seinem neu gegründeten Ensemble "decamerone" auf barocken Instrumenten übernehmen lassen. Wie sollte das zusammen gehen? Ein großer Chor und dazu ein recht kleines Barockensemble? Selten hat man den Spee-Chor, der mit zum besten gehört, was die Chorstadt Trier zu bieten hat, so schlank erleben können. An keiner Stelle hätte man sagen mögen: Das war zu viel. Hinzu kamen eine große Sicherheit in der Intonation, über große Strecken eine bestechende Präzision und bewundernswert schnelle Reaktionen auch auf kleinste Anweisungen vom Pult.Folz hat ein schlüssiges Konzept

Ein guter Chor allein kann noch keine gute Aufführung einer Bach'schen Passion garantieren. Da gehört mehr dazu. Zunächst muss da ein schlüssiges Konzept für die Interpretation vorhanden sein. Ein berühmter Bach-Bassist hat einmal gesagt: "Bei Bach steht alles in den Noten. Man muss es nur umsetzen." Folz hat umgesetzt. Er hielt sich treu an den Notentext. Seine Aufführung war frei von Pathos, er ließ das Werk von innen heraus glühen und machte es gerade dadurch zu einem demütigen und zugleich hoffnungsvollen Bekenntnis zum Karfreitagsgeschehen und der daraus erwachsenden Erlösung.Aber auch das reicht für einen vollen Erfolg nicht aus. Die Solisten, insbesondere die Partien des Evangelisten und des Jesus, müssen in ein solches Konzept hinein passen. Hier hatte Folz zumindest eine Überraschung parat. Dem noch jungen Maximilian Kiener hatte er die Rolle des Evangelisten anvertraut und damit einen Sänger präsentiert, wie man ihn nur selten erleben kann. Er deklamierte in perfekter Art seine Rezitative, fesselte seine Zuhörer auf eine faszinierend natürliche, dem Ernst des Inhaltes absolut adäquaten Weise. Sein Tenor glänzte, ohne dass er seine Person in den Vordergrund stellte. Er war ein Diener der Musik. Ihm zur Seite stand der Bassist Vinzenz Haab in nicht minder überzeugender, nüchterner und gerade deshalb ansprechender Weise. Jean-Paul Majerus als zweiter Bass konnte da nicht ganz mithalten, schaffte nicht diese elegante Leichtigkeit, obschon auch er mit großen Qualitäten glänzen konnte.Die solistischen Frauenstimmen haben in der Johannes-Passion kaum etwas zu tun, was man zumindest im Falle der Altistin Marion Eckstein nur bedauern konnte. Ihre Arie "Es ist vollbracht" gestaltete sie mit derart schlichter Schönheit, dass man sich der Emotionen kaum erwehren konnte. Tiefe Trauer im Moment des Todes, verbunden mit der absoluten Sicherheit "der Held aus Juda siegt mit Macht" wusste sie trefflich darzustellen. Wie Bass Majerus vermochte auch die Sopranistin Claudia von Tilzner nicht, dort anzuschließen. Ihre beiden Arien gerieten etwas zu breit, zu schwer. Das "Ensemble decamerone" ist, wie schon erwähnt, eine Neugründung, bestehend aus Musikern des Staatstheaters Saarbrücken. Hier muss man sicherlich Zugeständnisse machen, denn es ist nicht einfach, von normalen Orchesterinstrumenten auf ein Barockinstrumentarium umzusteigen. Aber intonatorisch sauberes Spiel sollte man schon erwarten können. Die Continuogruppe hatte über den gesamten Abend hinweg erhebliche Problem, die so gar nicht in das Gesamtbild passten.Wie sehr Folz die Zuhörer gepackt hatte, zeigte die lange Zeit, in der es nach dem Schluss choral still blieb. Es herrschte atemlose Spannung, die sich in begeistertem, minutenlangem Beifall Bahn brach. 15 Jahre hat Martin Folz den Spee-Chor geleitet. Mit der Johannes-Passion hat diese Arbeit einen würdigen Abschluss gefunden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort