Dem Krieg ins Gesicht sehen

Filme, Installationen oder ein Lied über den Bunker in Trier-Nord - das sind die Ergebnisse des Kulturhauptstadt-Projektes "Erinnerungsräume". Die Werke von Studierenden aus Trier, Frankreich und Belgien sind bis Sonntag, 28. Oktober, in der ehemaligen Gendarmerie Feuvrier zu sehen.

Trier. Der Raum wirkt auf den ersten Blick bedrohlich, viel Bewegung ist an den Wänden, die Farben Schwarz, Grau und Rot dominieren. Schaut der Betrachter genauer, sieht er ein Baby, ein Liebespaar oder einen Sonnenuntergang. "Erinnerungsfetzen" haben Julia Diederich und Sandra Schunn ihre Installation genannt. Die Studierenden der Fachhochschule (FH) Trier wollten etwas Schönes machen, obwohl das Thema "Erinnern und Krieg" gar nicht schön ist. "Deshalb haben wir Erinnerungen als Gedanken aufgegriffen, die Menschen, die in Bunkern saßen, vielleicht gehabt haben", sagt Julia Diederich. "Denn sie müssen sich ja schon eine schöne Zeit gemacht haben." Über 100 Studierende der FH Trier, der Kunsthochschulen aus Metz, Epinal und Lüttich beteiligten sich in zwei Semestern. Herausgekommen sind rund 60 Projekte, die bis Sonntag in der ehemaligen Gendarmerie Feuvrier ausgestellt werden. Malereien sind entstanden, Interviews, Video-Installationen und sogar ein Lied über den Bunker in Trier-Nord, den Kinder der Ambrosius-Grundschule singen. Der Ausstellungsort allein ist ein Hingucker. Kunstwerke stehen in einst genutzten Küchen oder Toiletten, die selbst an Geschichte erinnern. "Der zentrale Sinn von Erinnern ist Zukunft gestalten", sagte Triers Oberbürgermeister Klaus Jensen bei der Eröffnung. "Wir sollten Lehren ziehen aus der Vergangenheit." Der Wert des Projektes liege darin, dass Studierende, Bürger und Institutionen zusammengearbeitet hatten und nach vorne schauten. Dass Erinnern keine Lieblingsbeschäftigung des Menschen ist, betonte Hochschul-Vizedirektor Jean-Paul Depaire aus Lüttich: "Man sieht in allen drei Ländern, dass bei Wahlen gefährliche Bewegungen an Bedeutung gewinnen." Die Künstler versuchten mit der Ausstellung diese Bewegungen aufzuhalten.Europäischer Masterstudiengang angedacht

Verständigung und Abbau von Vorurteilen hat das Projekt bereits erzielt. Ein Bestandteil war die Zusammenarbeit mit Bewohnern des Stadtteils Trier-Nord: mit Kindern, Senioren, Migranten oder Obdachlosen. Es gab verschiedene Arbeitskreise und Gesprächsrunden. "Die Zusammenarbeit von sozialem Raum, Geschichte und Kunst ist einmalig", schwärmt Bernd Weihmann, Leiter des Bürgerhauses Trier-Nord. In einem Schweißer-Workshop hätten Hauptschüler, Studierende und Obdachlose zweieinhalb Tage zusammen gearbeitet. Dabei ging es nicht um die Probleme der Einzelnen, sondern alle hatten eine gemeinsame Aufgabe. "Die Obdachlosen haben Bestätigung erfahren", sagt Weihmann. "Sie waren die Fachkraft, die die Arbeit anleiteten." Viel Lob gab es bei der Eröffnung, doch auch den Wunsch nach Nachhaltigkeit. Jörg Wallmeier, Präsident der Fachhochschule Trier, regte einen Masterplan an und wandte sich an OB Jensen. "Universität, FH und Kunstakademie könnten zusammenarbeiten und so höchste künstlerische Arbeit in Trier ermöglichen." Die Professoren sehen das Projekt als gelungenen Testlauf für grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Angedacht sei, einen europäischen Masterstudiengang zu entwickeln, sagt Anna Bulanda-Pantalacci von der FH Trier. Christina Threuter von der Uni Trier und verantwortlich für das wissenschaftliche Konzept, freut sich, dass das Projekt einen "Schneeball-Effekt" hatte. "Immer mehr Menschen haben sich mit der Zeit engagiert und beteiligt." Nur einen kleinen Kritikpunkt hat sie: die Finanzierung. Mit 40 000 Euro wurde das Projekt gefördert - nicht genug, sagt sie. "Schön wäre gewesen, wenn die Projekte im Kulturhauptstadtjahr gezielter ausgesucht worden wären, wenn es nicht so viele gegeben hätte, dafür aber einige komplett gefördert worden wären." Die Studierenden mussten auf Sponsorensuche gehen, um Materialien für die Gestaltung zu bekommen. Sponsoren sucht das Projekt auch jetzt noch. Denn der Verlauf soll in einem Katalog dokumentiert werden. Wissenschaftliche Beiträge seien ebenfalls geplant, sagt Threuter. Die Kosten für so eine Dokumentation betragen rund 15 000 Euro. Öffnungszeiten bis Sonntag, 28. Oktober, täglich von 16 bis 20 Uhr, Sonntag ab 14 Uhr. Der Eintritt ist frei.

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