Demnächst nicht zu sehen

TRIER. Pech für einen Schauspieler, wenn sein Part aus einem Film herausgeschnitten wird. Es kann jedoch noch schlimmer kommen, und zwar für die ganze Crew: nämlich wenn es der fertig gedrehte Film gar nicht ins Kino schafft.

Ein mühsames Geschäft ist das Filmemachen. Von 100 Ideen wird eine zur Exposéreife entwickelt. Von diesen 100 Exposés wird eines als lohnenswert betrachtet, um zum Treatment ausgearbeitet zu werden. Und mindestens ebenso steinig ist der Weg von da zum fertigen Drehbuch. Dann aber sollte der Kinopremiere nach acht Wochen Dreharbeiten nichts mehr im Wege stehen. Von wegen. "Ich glaube erst, dass ein Film gemacht wird, wenn ich im Studio stehe und die erste Klappe fällt", sagt etwa der Regisseur Dennis Satin, der neben zwei Kinofilmen ("Nur aus Liebe", "Helden und andere Feiglinge") vor allem fürs Fernsehen gedreht hat ("Doppelter Einsatz" sowie einige der in Münster angesiedelten Wilsberg-Krimis). Und selbst das ist noch keine Garantie dafür, dass das Ergebnis dem Publikum zugänglich gemacht wird. Denn viele fertige Filme erblicken nie das Licht des Projektors.In einer Woche 15 Zuschauer

Was manchmal sicherlich auch gut ist angesichts vieler Streifen, bei denen man sich fragt, wie so etwas nur produziert werden konnte. Esther Schweins jedenfalls fiel ein Stein vom Herzen, als der Film "Rosenkavalier", in dem sie eine Hauptrolle spielte, 1997 von der inzwischen Pleite gegangenen Firma "Studio Düsseldorf Produktion" zurückgezogen wurde - dasselbe Unternehmen, das dies besser auch mit dem ein Jahr zuvor entstandenen Film "Weibsbilder" getan hätte. Diese "Komödie" war seinerzeit auch in Trier zu sehen und hatte, laut "Broadway"-Besitzer Dirk Ziesenhenne, in einer Woche (drei Vorstellungen pro Tag) fünfzehn Zuschauer. Insofern ist es zumindest kein kultureller Verlust, wenn manche Filme abgedreht und weggepackt werden. Dieses Schicksal widerfuhr im Jahr 2000 auch "Mr. Boogie", in dem der kurzfristig zu Medienruhm gelangte "Big-Brother"-Proll Zlatko Trpkovski die Hauptrolle spielte. Vesna Jovanoskva von der Kölner Produktionsfirma "ena" war zunächst hellauf begeistert vom Naturtalent ih- res Amateurstars und fand sogar einen Verleih ("Highlight Film"). Doch ein Reporter der "Bild"-Zeitung geriet in eine Pressevorführung und warnte die Leser nachdrücklich vor diesem Werk. Ein Rechtsstreit zwischen "Highlight" und "ena" tat ein Übriges, und der Welt blieb ein Film erspart, den sie niemals gewollt hatte. Was sicherlich auch für den Zeichentrickstreifen "Dieter - der Film" gilt, in dem der musikalisch und medienmäßig extrem entbehrliche Dieter Bohlen gefeiert wird. Der Comic sollte im vergangenen Herbst in die Kinos kommen, dann vertröstete Universum Film diejenigen, die ihn tatsächlich anschauen wollten, auf Januar 2005. Danach wurde kein Termin mehr angesetzt; wahrscheinlich, heißt es im Haus, kommt der Film niemals ins Kino. Denn inzwischen will Bohlen sowieso keiner mehr sehen. 6,5 Millionen Euro sind damit in den Sand gesetzt. Ein bisschen mehr, nämlich acht Millionen, kostete die Real-Verfilmung der Uralt-Comic-Serie "Nick Knatterton". Mit einer Million war an diesem Flop der Steuerzahler beteiligt - über die Filmstiftung Nordrhein-Westfalen. Das Schicksal, im Kino nicht gezeigt zu werden, droht allerdings auch Filmen mit richtigen Schauspielern. Julie Delpy, Neve Campell, Nick Nolte und Til Schweiger, die nun wirklich nicht zu den cinematografischen Nobodys gehören, sind Stars einer Komödie, die in den 1920er Jahren in Intellektuellenkreisen in Neuengland spielt. Regisseur ist immerhin Alan Rudolph. Trotz der illustren Besetzung ist "Investigating Sex", 2000 gedreht, nie öffentlich gezeigt worden.Mehr Gewinn durch Leinwand-Abstinenz

Das Gleiche gilt für durchaus ambitionierte Werke aus den Disney Studios ("König der Löwen", Teil 3) oder Sequels, Fortsetzungen einer erfolgreichen Story, deren zweiten Teil man auf der Leinwand in vorauseilendem Pessimismus keine Chancen gibt (etwa dem Erotik-Krimi "Wild Things 2"). Selbst Al Pacino traut man hierzulande nicht immer Kassenmagnet-Qualitäten zu. Seine Hollywood-Satire "Simone" schaffte es nicht bis in deutsche Kinos. Letzte Möglichkeit, die Filme doch noch zu sehen, sind DVDs. Immer öfter werden Geschichten nur fürs Heimkino produziert, und das Geschäft mit den Silberlingen blüht immer kräftiger. Es ist auch weitaus sicherer: Bei einem Hollywood-Film müssen 50 Prozent der Produktionskosten für Marketing und Werbung veranschlagt werden. Bei den "DVD-Premieren" entfällt dieser Kostenfaktor. Und so konnte Disney für den dritten Teil des "Königs der Löwen" satte 160 Millionen Dollar einstreichen. Nur die Hälfte wären es bei einer teuren Kinoauswertung gewesen, zumal der Stoff in der dritten Auflage doch schon ziemlich abgenudelt ist. Das Beispiel scheint Schule zu machen: Von knapp 560 Filmen, die in den ersten neun Monaten 2004 in die Videotheken kamen, waren mehr als die Hälfte DVD-Premieren. Kein Grund, über diese Produkte die Nase zu rümpfen: Manche davon waren um Klassen besser als die Filme, die im Kino um die Ecke liefen.

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