Den Tod leise machen

LUXEMBURG. Ein seltenes Kleinod: Das Luxemburger Musée national d‘histoire et d‘art zeigt zwölf Apostelbilder von El Greco.

"Eine schreckliche Trockenheit ohne Geschmack herrschte in seinen Werken vor, eine sich über alles ergießende Traurigkeit", schrieb noch über 100 Jahre nach seinem Tod ein spanischer Kunstkritiker. "El Greco", dem Griechen, wie er sich nach seinem Herkunftsland nannte, erging es wie manch anderem seiner Zunft. Schon zu Lebzeiten war er ein berühmter Maler und dennoch zeitlebens unverstanden. Heute gilt der Mann, der 1541 als Domenikos Theotokopoulos auf Kreta geboren wurde und über dreißig Jahre bis zu seinem Tod 1614 im spanischen Toledo lebte und arbeitete, als einer der großen Wegbereiter der Moderne. Es ist geradezu atemberaubend zu sehen, wie weit der Schüler des malenden Psychologen Tizian seiner Zeit voraus war, die sich - auch künstlerisch - mittels Gräuel und selbstquälerischem Märtyrertum den Himmel erkaufen wollte. El Grecos weltliche und geistliche Hauptdarsteller machen sich den Tod "leise", wie sein Zeitgenosse und Rivale Michelangelo dichtete. Ihre Seelen steigen in ihren lang gestreckten Körpern geradewegs zum Himmel auf. Vielleicht war es jene vergeistigte Glaubenssicherheit, seine malerische Absage an blutrünstige Glaubensbekenntnisse und wollüstige Selbstzerfleischung, die El Grecos ehrgeizigsten Wunsch zunichte machte, Hofmaler im königlichen Gruftschloss Escorial zu werden. Trotz gelegentlicher Aufträge: König Philipp mochte ihn nicht. Weshalb sich der Untertan der katholischen spanischen Majestät darauf beschränken musste, für die Kirchen Toledos Werke zu schaffen, die heute unschätzbares Erbe der Weltkultur sind. Im Luxemburger Nationalmuseum werden nicht jene ganz großen Werke gezeigt, deren eindrucksvolle Erzählungen den Ruhm des Meisters begründen. Kammerspiel ist am Fischmarkt angesagt. Im intimen Rahmen des schön beleuchteten Saals sind zwölf kleinformatige Apostelbilder zu sehen, das so genannte Apostolat von Oviedo. Die Porträts sind eine der drei Apostelserien des Malers, die in Spanien erhalten sind. Als Dauerleihgabe des spanischen Stahlkonzerns Aceralia hängen sie im Museum von Oviedo in Asturien, von wo sie zum ersten Mal ins Ausland reisen konnten. Wahrscheinlich hat El Greco, dessen Leben nach zeitgenössischen Berichten ein ständiger Kampf zwischen Kunst und Geldsorgen war, die Apostelbilder als Auftragsarbeit für die Hauskapelle eines spanischen Edelmanns geschaffen. In den stillen Arbeiten, die ganz von ihrer Innerlichkeit leben, wird dennoch auf den ersten Blick das Genie des Meisters offenbar. Sie weisen El Greco als einen Maler der Seele und der Innenschau aus, der seine Gestalten in die Wärme und den bisweilen überirdischen Schimmer seiner Farben hüllt. Bei ihm ist Farbe gleichermaßen Seelenfarbe und Seelentrost. Es sind stolze disziplinierte Gesichter, die sich in Bü- cher versenken, ihr Kreuz tragen oder über die Schlüssel zum Himmelreich nachsinnen. Nicht zuletzt wird in den faszinierenden Porträts einmal mehr deutlich, wie modern der Maler ist. Bis 27. Juni, di.-so. 10 bis 17 Uhr.no/joa

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