Den Tod vor Augen

Verdienstvolle Ausgrabung auf dem Spielplan des Grand Theatre in Luxemburg: Victor Ullmanns kurz vor seiner Ermordung im Konzentrationslager entstandene Oper "Der Kaiser von Atlantis" beeindruckte in der Inszenierung von Charles Tordjman.

Luxemburg. Man kann eine Aufführung des "Kaisers von Atlantis" schwer von der Entstehungsgeschichte der Oper trennen. Der Komponist Victor Ullmann und sein Texter Peter Kien lebten im KZ Theresienstadt, ständig vom Abtransport nach Auschwitz bedroht, den sicheren Tod vor Augen. Sie schrieben eine Parabel in Märchen-Form, vom fiktiven Land "Atlantis", in dem die Zeit bleiern stillsteht, weil "das Leben nicht mehr lachen und der Tod nicht mehr weinen kann". Irgendwann stellt der Tod, vom Kaiser beleidigt, seinen Dienst ein, niemand kann mehr sterben, das Leben wird unerträglich. Erst als sich der Kaiser bereiterklärt, als Erster zu sterben, kommt der Tod zurück und erlöst die Menschen aus Qualen und Chaos. Regisseur Tordjman widersteht dankenswerterweise dem Versuch, das Stück vordergründig politisch zu deuten. Abstrakt-absurdes Ambiente

Er verstärkt sogar durch das abstrakte Ambiente, eine kahle Berglandschaft, in deren Mitte das Orchester in einem ovalen Krater sitzt, das Absurde, Märchenhafte. Auch die Figuren, der Kaiser, der Tod, der Harlekin, ein Soldat, ein Mädchen vermeiden bei ihren fantasievollen Kostümen jede Konkretisierung. Das alles lässt die Parabel mit ihrer zutiefst menschlichen Botschaft, aber auch ihren sehr witzigen, wortgewandten Texten umso nachhaltiger wirken. Die Symphoniker aus Nancy unter der Leitung von Olivier Dejours spielen die weitgehend harmonische, bisweilen etwas süßliche, dann aber wieder dissonant gebrochene Musik mit allen lautmalerischen Facetten souverän aus. Das Sänger-Quintett Valérie Debize, Aurore Ugolin, Christophe Gay, Till Fechner, Sin Mo Kang singt durchweg respektabel, lässt aber - von Ausnahmen abgesehen - bei der Sprache zu wünschen übrig. Zwar wird deutsch gesungen, aber ohne französische Übertitel würde man die Texte kaum verstehen.Am Ende anerkennender, bewegter Applaus.

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