Der Befehl der Gewohnheit

Haben Sie auch schon den neuen "Harry Potter" gelesen? "The Order of Dingens"? Auf Englisch? Haben Sie auch mitten in der Nacht Schlange gestanden, um eines der ersten Exemplare zu ergattern? Also für mich eine Selbstverständlichkeit! Wenn ich auch einräumen muss, dass es nicht mehr wirklich Nacht war, eher Mittag, genauer gesagt: drei Tage später, und, um ehrlich zu sein - ich habe mir dann ein anderes Buch gekauft, weil mein Englisch, na ja, und was im neuen "Potter" drinsteht, kann man ja in jeder Fernsehzeitung nachlesen. Ist auch egal, weil: Der neue "Harry Potter" ist super! Spitzenklasse! Und wissen Sie warum? Weil die anderen vier auch schon so hammermäßig waren! Also zumindest der eine, den ich kenne, aus dem Kino, "Harry, hol‘ den Wagen" oder wie der hieß. Egal, auf jeden Fall - echt irre! Die "Harry Potter"-Romane gehören zum letzten gemeinsamen Wertekanon unserer zerbröselnden Gesellschaft! Die Dinger muss man nicht selber lesen: Die können gar nicht schlecht sein. So wie es keine langweiligen Sendungen mit Günther Jauch gibt oder keine drögen Spielberg-Filme! Was der Mainstream einmal als für gut und richtig befunden hat, darf sich in der Folge unserer wohlwollenden und reich machenden Aufmerksamkeit sicher sein - wenn es jetzt nicht unsinnig weit vom ursprünglichen Erfolgsmuster entfernt ist. Wir lieben diese "Sequels" genannten Wiederholungstaten, die man ursprünglich aus der Welt der Kinderbücher kennt ("Petzi braucht Kohle", Petzi geht Putzen"). Mittlerweile gibt es das gottlob in allen Chargen der Unterhaltung: siehe etwa die Rolling Stones, die einzigen Lebend-Plastinate weltweit: Seit 40 Jahren dasselbe Konzert - da weiß man doch, was man bekommt für‘s Geld! Es gibt uns kollektive Sicherheit, wenn Schumi bis ans Ende aller Tage im Ferrari seine Runden dreht, und wir genießen die virtuelle Nestwärme, wenn wir - jeder für sich - gemeinsam samstags zu Hause auf Tommy Gottschalks Sofa sitzen. Es ist einfach toll, wenn wir alle zusammen etwas toll finden können - egal wie gut es wirklich ist! Allerdings dürfen die sich so Geliebten ihrer Sache nicht zu sicher sein, denn es gibt auch Beispiele für kollektiven Liebesentzug: Westernhagen, die National-Elf: Sie alle können ein Liedlein davon singen, wie es ist, wenn es nicht mehr so ist. Was nix mit "Harry Potter" zu tun hat - der ist echt tierisch! Wirklich! Morgen kaufe ich mir mal so ein Buch - wenn ich Zeit finde, mal sehen...

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