Der Biss der kleinen Schwester

Bissig, subtil, witzig, teilweise aber auch platt bedient in der Trierer Tuchfabrik eine kleine Schwester der großen Konstantin-Ausstellung das Bedürfnis nach Provokation. Das, wie auch die pure Neugier auf den Kontrast zu etablierten Sichtweisen, scheint ausgeprägt, denn zumindest zur Eröffnung (der TV berichtete) fanden Scharen den Weg zu "Konstantin - Kunst und Provokation".

Trier. Während die Trierer Museen Konstantin - zumindest auf Plakaten - in helles Licht tauchen, umgeben ihn die Organisatoren der Tufa-Ausstellung mit Dunkelheit. Finster ist es im zweiten Obergeschoss - ob bewusst, um Dinge als zwielichtig zu markieren, oder nur, um per Lichtregie bühnenähnlich inszenieren zu können, sei dahingestellt. Inszenierung jedenfalls ist vonnöten, sonst hätten viele der dort gezeigten Exponate kaum Wirkung oder Aussage. Der "Konstantinbogen" zum Beispiel wäre bei Licht trotz der dahinter platzierten Friedhofskränze allenfalls kitschige Theaterkulisse. Das monumentale Relief dreier mit den Löffeln einander zugewandter Hasen wäre ohne blaues Licht (Blau - Farbe des Geistes) und die ab und zu aus der Mitte verpuffenden Nebelwölkchen (Pneuma) kaum als die Persiflage eines sakralen Motivs auszumachen. Außer für Kenner des Paderborner Kirchenfensters mit gleichem Dreieinigkeitssymbol. Berechtigt, aber oft platt und plakativ

Fragt sich, wie viele das sind unter den Besuchern, die sich hier überwiegend an Kirchen- und Glaubenskritik, transportiert von Cartoons, Malerei oder Installationen ergötzen. Einer Kritik, die auch die Verquickung kirchlicher und staatlicher Macht sowie die gewalttätigen Mittel zu deren Durchsetzung hinterfragt. Berechtigt, doch häufig zu platt und plakativ, wie in der Umsetzung des Totschlagarguments: "Im Zeichen des Kreuzes ist schon immer Blut geflossen" mit gekreuzten Speeren vor blutiger Fleischerschürze. Was ungefähr genauso überzeugend kommt wie die Griffe ins Standard-Repertoire seiner Anti-Establishment-Hiebe, die Initiator Helmut Schwickerath für seine Eröffnungsrede bemühte. Altbekannt, aber wohl unvermeidlich, denn Berufsprovokateure müssen ihr Image ja pflegen. Zumal dann, wenn sie sich ins Kielwasser eines "etablierten" Großprojekts werfen, das den Namen "Provokation" eher verdient, da es ja erst die Gegenreaktion hervorgerufen hat. Jedenfalls ist auf diese Weise ein Forum für all jene entstanden, denen das "provinzielle" Trier mit zentrierter kirchlicher Macht mangels Blick über den Tellerrand hinaus immer noch erscheint wie das Kreuz, unter dem sie leben müssen. In dieser Ausstellung können sie herzhaft darüber lachen, und das Beste daran: "Man muss es nicht verstehen." Sagt Oberbürgermeister Klaus Jensen vor der Fleischwolf-Gebetsmühle des "Reisealtars der Helena" - und schickt noch gleich eine elementare Erkenntnis seines damals 13-jährigen Sohnes anlässlich eines Documenta-Besuchs hinterher: "Es gibt Künstler, die haben es drauf, und solche, die haben ein Rad ab." Provokation Die Tufa-Ausstellung, die die Provokation schon im Titel trägt, aber dennoch aus dem Kulturhauptstadt-Fonds der Stadt mitfinanziert wurde, hat in Trier bislang relativ wenig Wellen geschlagen. Derweil sorgt ein Exponat, das in der Tufa hängt, andernorts für große Aufregung. Eine Satire-Zeichnung des Kinderbuch-Autors Janosch, die einen Geistlichen zeigt, der einem Kind bei der Taufe mit dem Hammer ein Kreuz in den Bauch treibt, wurde als Illustration eines Artikels im "Spiegel" abgedruckt. Prompt forderte der scheidende Bayerische Ministerpräsident Stoiber, "falsche Propheten" wie Janosch dürften "keinen Zugang zu unseren Kinderzimmern erlangen". Die Attacke auf Deutschlands beliebtesten, meistverkauften und von Erziehungs-Experten wärmstens empfohlenen Schriftsteller für die Zielgruppe U 10 brachten Stoiber Häme in den Feuilletons aller großen Zeitungen ein - und der Trierer Ausstellung als Nebeneffekt Erwähnungen bis hin zur "Süddeutschen". Der Trierer Ausstellungs-Mitinitiator Michael Schmidt-Salomon, ohnehin als fundamentaler Religionskritiker bei Funk und Fernsehen gefragt, durfte von "Quergefragt" bis "Polylux" auftreten - kommenden Dienstag gastiert er bei "Maischberger". Vielleicht treibt die Medien-Präsenz ja auch die Besucherzahl in der Tufa in die Höhe. (DiL)

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