Der Energiespender

Das Werden eines Kunstwerks ist derzeit in der Tufa zu verfolgen. Im Rahmen des vom TV präsentierten Tufafestivals hat Mauricio Escobar dort seine Arbeits- und Lebenswelt bezogen. Wer will, kann ihm beim Arbeiten zuschauen. Besucher sind ausdrücklich erwünscht.

 Die Trierer Tufa inspiriert Escobar. TV-Foto: Eva-Maria Reuther

Die Trierer Tufa inspiriert Escobar. TV-Foto: Eva-Maria Reuther

Trier. Leuchtendes Blau flutet den Boden, dahinter kommt ein Feld sandiges Braun, das erdig dunkelbraune Streifen in Rechtecke teilen. Eine Farbeimer und -flaschen steht wie eine kleine Ansiedlung am Rand. Strandgut gleich türmen sich daneben rostige Eisenbänder, Faserstreifen und Folien. Hinten am Fenster steht eine Nähmaschine, aus deren Griff sich eine beige Welle Stoff ausrollt. Eine riesige Installation, ein Bild aus vielen Einzelbildern, die sich ständig verändern, ist derzeit der Ausstellungsraum im ersten Obergeschoss der Tufa. Mauricio Escobar arbeitet hier.

Für zwei Monate ist der Künstler "Artist in Residence" des Trierer Kulturzentrums, eine Bezeichnung, die mit Gastkünstler nur unzureichend ausgedrückt ist. Künstler im Gehäuse seiner Ideen- und Arbeitswelt passt in Escobars Fall schon besser. Die "residence" nimmt der dunkelhaarige Mann wörtlich: "Am Anfang hatte ich immer noch vor, mal ein paar Ausflüge in die Gegend zu machen, aber mich fesselt die Arbeit hier so sehr, dass ich kaum weg komme". "Pulsion de vie" ( Lebenstrieb) heißt die Kunstaktion, an deren Ende große Tuchobjekte ( passend zur einstigen Tuchfabrik) als Installationen die Mauern des ehemaligen Fabrikgebäudes beleben sollen. Schon jetzt hat es gefunkt. Der alte Bau mit seiner Industriearchitektur hat es Escobar angetan. "Die offen liegenden Leitungen, die mächtigen Wandpfeiler, die Schrägen regen mich zu ganz neuen Linienführungen und Bildern an". Und dann sind da natürlich noch das Licht und die Weite, die Verbindung von draußen und drinnen. Escobar ist Kolumbianer. In seinem Gesicht voll Kraft, den stolzen Augen, und den geschmeidigen Bewegungen scheint sich sein Land zu spiegeln, wie es Gabriel García Márquez beschrieben hat: voller Gegensätze mit hoch aufragenden Bergen, bunter Exotik und einer unbändigen Lust am Leben. "Ja", bestätigt Escobar, "mein Land hat mich geprägt".

Und doch hat es ihn in die Ferne getrieben: "Die Vielfalt, die Begegnung der Kulturen macht es". 1959 ist er in Bogotà geboren, wo er zunächst an der Kunstakademie studierte. Ab 1981 setzte er sein Studium in Paris fort. Heute lebt der Künstler abwechselnd in der französischen Hauptstadt und in Amsterdam.

Noch immer kommt für Escobar Leben aus der Erde, dem Meer, dem Himmel. Lebenszeichen findet er freilich allerorts, eben auch in jenen scheinbar nutzlosen Dingen wie Folien, Fasern und dem Rost des Eisens, der von Altern und Reife erzählt. Ein Blick, eine kurze Berührung und schon hat er das Wesen der Dinge erfasst. "Ich bin ein absolut emotionaler Mensch", gesteht der Künstler, "mein Herz hat schon längst begriffen, was anschließend mein Verstand durchdenkt". In seinen Tüchern, seinen Farben und Formen fängt er dieses Leben ein und verdichtet es zu neuen Energien.

Schon jetzt machen zwei große Tuchobjekte draußen an der Tufa neugierig auf das, was kommt. Sie öffnen den alten Bau und verbinden ihn mit Himmel und Erde.

Die Ausstellung ist bis 31. August zu sehen.

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