Der Reim ist seine Waffe

Mit der von ihm geschaffenen Kunstgattung "Maysical" hat Roger Willemsen im Rahmen der Mosel-Festwochen für strapazierte Lachmuskeln gesorgt. Sein Programm "Ein Schuss, ein Schrei - das Meiste von Karl May" brachte in Reimen Werk und Weltanschauung des Winnetou-Autors ironisch auf den Punkt, musikalisch stimmig illustriert von den beiden Pianistinnen Anna und Ines Walachowski.

Trier. "Ist auch der Mensch verderblich, Winnetou ist unsterblich" oder "Die Wüste lebt und ich durchkämm sie, das schwör ich mir, Kara Ben Nemsi." So lässt Roger Willemsen die etwa 160 Besucher im Kurfürstlichen Palais Wiedersehen mit den Helden ihrer jugendlichen Leseabenteuer feiern. Ein Wiedersehen, das zugleich Hommage und messerscharfe Analyse ist, vor allem aber ein erfrischendes Vergnügen aus sprachlichem Reichtum und satirischer Zuspitzung. Dem verschmitzten Wortspieler sprudeln vordergründig leichte Verse aus dem Mund, die in unerwarteten Pointen überraschend Tiefgründiges bieten. Auf diese Weise bricht er mit Mythen wie Wildwest-Romantik: ".. und das liebste Männerhobby, Schießen für die Waffenlobby". Er entlarvt Karl Mays von Schwarz-Weiß- und deutscher Übermenschen-Mentalität geprägte Weltanschauung sowie Helden und Roman-Strickmuster: "...er (Kara Ben Nemsi) bewegt sich ungeschickt von der Krise zum Konflikt", oder: "Darum weiß, wer so was kennt: Der Feind ist tot, heißt Happy End". Das alles gewürzt mit aktuellen und weltgeschichtlichen Bezügen: "Unser Busch soll schöner werden..." oder "Erst heize ich die Stimmung auf, dann mache ich den Deckel drauf" (zu "In den Schluchten des Balkan" und den Balkankrieg). Zuweilen reizt makabrer Humor die Lachmuskeln: "Skalp, das ist die ungefähre Brücke zwischen Wischmopp und Perücke", manchmal ist es einfach das Erlebnis, an einem gesprochenen Cartoon teilzuhaben. So zum Beispiel in der plastisch-bildhaften Schilderung eines drohenden Kampfes zwischen Hund und Sklave (zu "Die Sklavenkarawane"). Besonders hier lässt die Dichtung einen Vergleich mit der von Wilhelm Busch zu, denn Willemsen zieht wie dieser am Ende ein moralisierendes Fazit: "...weil es doch die Stimmung dämpft, wenn Opfer gegen Opfer kämpft". Stilistisch ähnlich sind auch versöhnliche Pointen nach bissigen Betrachtungen und philosophischer Gehalt der Reime: "...rühr dich nicht... leb für Zins und Zinseszins, am liebsten ganz in der Provinz", endet mit: "und du merkst, dass der Tod an deinem Leben das Vitalste". Nachhall findet Komisches, Nachdenkliches wie Geniales in Musik von Fauré, Bizet, Dvorak oder Strawinsky, die die beiden Pianistinnen Anna und Ines Walachowski stimmig zwischen die Texte fügen. Ein sizilianisches Jagdlied zu "Der Sohn des Bärenjägers" oder "Le Pas Espagnole" aus Dolly zu "In den Kordilleren" setzen unterstreichende, ironische oder dramatische Akzente. Die beiden Schwestern stellen dabei im vierhändigen Spiel am Flügel ein Höchstmaß an Sensibilität, Temperament und Virtuosität unter Beweis. Begeisterter Applaus belohnt sie und Willemsen am Ende, den dieser mit mit "Sie sind sehr tolerant!" kommentiert. Doch Toleranz ist weniger Erfolgsgarant dieses Programms als das, was man in Reimform so ausdrücken kann: "Ein Fluss, ein Guss - voll ins Schwarze trifft der Schuss."

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