Der Schattenmann

Am kommenden Sonntag feiert die mit Spannung erwartete Produktion der Oper "Wozzeck" im Trierer Theater Premiere. Das öffentliche Interesse gilt Sänger-Weltstar Franz Grundheber, der als Regisseur debütiert. Aber wenn der Vorhang sich öffnet, wird ein anderer im Mittelpunkt stehen.

 Vera Wenkert und Johannes M. Kösters studieren das Drehbuch. TV-Foto: Dieter Lintz

Vera Wenkert und Johannes M. Kösters studieren das Drehbuch. TV-Foto: Dieter Lintz

Johannes M. Kösters gehört nicht unbedingt zu den Auffälligen seines Metiers. Jedenfalls außerhalb des Theaters. Ein ruhiger Mann, fast schüchtern, zumindest, wenn er neben dem wortgewaltigen Franz Grundheber am Kneipentisch im "Handelshof" sitzt. Das rustikale Ambiente hat die Presseabteilung des Theaters als Gag für den Journalisten-Termin ausgesucht. Immerhin spielen auch einige Schlüsselszenen des "Wozzeck" im Schänken-Milieu. Und so sitzt man inmitten einiger leicht ratlos wirkender Stammgäste am helllichten Mittag neben der Theke und redet über Zwölftonmusik. Dass sich das Publikum hierzulande schwer tut mit diesem Klassiker der Moderne, sorgt bei Johannes M. Kösters für Verwunderung. Seit Jahren ist er Reisender in Sachen zeitgenössische Oper, ein hoch geschätzter Spezialist, der etliche Hauptrollen bei Uraufführungen der wichtigsten lebenden Komponisten anvertraut bekam. Mit den Berliner Philharmonikern hat er musiziert, bei den Salzburger Osterfestspielen und den Wiener Festwochen. Experten für sein Repertoire sind rar - und dementsprechend gefragt.Dass er einst eine wichtige Nische der Opernwelt ausfüllen würde, dürfte er bei seinem Debüt 1981 in Mannheim schwerlich geahnt haben. "Das hat sich so entwickelt", sagt der Bariton. Rihms "Jakob Lenz" und Rautavaaras "Vincent" verschafften ihm einen guten Ruf in den Opernhäusern, und so blieb er bei den großen, modernen Charakter-Rollen.Dass er wesentlich mehr - und kompliziertere - Noten lernen muss als die Kollegen vom klassischen italienischen Fach, stört ihn dabei nicht. Eher schon die eine oder andere schräge Regie-Interpretation. In seinem Aachener Wozzeck-Debüt musste er die Titelrolle als Killer im Stil des Kultfilms "Pulp Fiction" spielen - kein Wunder, dass er heute sagt, der Trierer Wozzeck sei sein "erster richtiger".Dass er dabei mit einem Regisseur arbeitet, der ausgerechnet in dieser Rolle als weltweit führender Protagonist gilt und der die Oper nach elf unterschiedlichen Produktionen kennt wie kein zweiter, schafft das keine Probleme? "Es könnte so sein", sagt Kösters gedehnt, "dass man sich manchmal so fühlt wie in einer Schraubzwinge". Aber Franz Grundheber sei "wirklich ein echter Kollege", mit dem man "wunderbar zusammen arbeiten kann". Ein Kompliment, das Grundheber uneingeschränkt zurückgibt. Freilich, so bestätigt auch er, sei die Arbeit für den debütierenden Regisseur wie für seinen Hauptdarsteller "ein Findungs- und Erziehungsprozess, der nicht immer leicht war".Vera Wenkert, die die weibliche Hauptrolle von Wozzecks Freundin Marie verkörpert, freut sich über die doppelte Auswahl - singt doch Grundheber in zwei der sieben Vorstellungen den Wozzeck noch einmal selbst. "Zwei grundverschiedene Typen" seien das, und deshalb auch "zwei ganz unterschiedliche Interpretationen". Es lohne sich "auf jeden Fall" für das Publikum, beides anzusehen. Wozzeck sei zwar "ein Anti-Held ohne den Pomp, den mancher in der Oper erwartet", aber die Musik sei "so spannend und ergreifend, dass es mir nach den Proben schwerfällt, wieder zur normalen Vera zurückzukehren".Auch Kollege Kösters liebt die Berg-Oper besonders. Was man schon am Zustandekommen seines Trier-Gastspiels sieht: Eigentlich sollte er hier eine Uraufführung im Rahmen der Antikenfestspiele singen, aber das Projekt platzte. Auf die Frage von Intendant Weber, ob er sich etwas anderes vorstellen könne, antwortete er spontan: "Also falls Sie mal einen Wozzeck brauchen…" Premiere des Stückes ist am 29. April, weitere Vorstellungen am 2., 5., 12., 16., 25. und 29. Mai. Karten: 0651/7181818. Infos: www.theater-trier.de

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