Der Welt entrückt

TRIER. Es war nicht nur ein Weihnachtskonzert, das Moya Brennan dem Publikum unter dem Titel "Irish Christmas" in St. Maximin bescherte, sondern ein Teil der Weihnachtsgeschichte. Denn es schien, als verkörpere die irische Folk-Sängerin selbst den Engel und Verkünder der frohen Botschaft.

Fast ein Pilgerzug bewegt sich an diesem frostigen Abend auf die altehrwürdige Abtei St. Maximin zu. Aus der langen Menschenschlange, in die sich Hunderte mit britischer Disziplin einreihen, dringen Gesprächsfetzen. Erinnerungen und Erwartungen an eine Frau, die seit dreißig Jahren als Ikone des irischen Folk gilt und heute auftritt - Moya Brennan, die Stimme von Clannad. Zuerst einmal ein Clannad-Stück

Als hätte sie die Menschen da draußen belauscht, eröffnet Moya Brennan ihr Konzert mit einem Clannad-Stück. Ihre glasklare Stimme erhebt sich sanft aus einem mystischen Klangteppich, um dann wieder mit Flöte oder Geige zu verschmelzen. Hinter träumerischen Melodiebögen, die von einer irischen Harfe begleitet werden, ist leiser Trommelrhythmus zu hören. Das Gefühl, diese Musik schwebe irgendwo zwischen Himmel und Erde, wird verstärkt durch geheimnisvolle Beleuchtung, die Tannenbäume zum Glühen bringt und das erhabene Gewölbe der Abtei mit Lichtstrahlen durchdringt. Die spirituelle Atmosphäre passt perfekt zum Programm, denn Moya Brennan hat neben etlichen Songs von Clannad und solchen aus ihrem Konzept-Soloalbum "Two Horizons" traditionelle irische Weihnachts- und Kirchenlieder im Gepäck. Etwa "Gabriel's Message", in dem sie mit betörender, sphärischer Stimme beschreibt, wie der Erzengel vom Himmel herabsteigt. Das erzeugt Gänsehaut. Mehrstimmiger Gesang der Band setzt ein, und es ist, als klinge ein Choral durchs Kirchenschiff. Fast möchte man der Stimmung zuliebe auf lauten Beifall verzichten. Doch dann werden temperamentvollere Rhythmen eingestreut, gälische Tanzlieder mit Dudelsack, Geige, Harfe, Gitarre, Bass und Schlagzeug, teilweise modern übersetzt und mit jazzigen Klavier-Sequenzen angereichert. Die Füße zucken, und endlich trauen sich auch die Hände, den fantastischen Musikern ihren wohlverdienten Applaus zu spenden. Besonders nach einer Folge reiner Instrumentalstücke, unter anderem der romantischen Filmmusik aus Robin Hood, in denen Brennan selbst die Harfe zupft und der Gitarrist in Windeseile gesprungene Saiten wechselt. Nach der Pause, in der arktische Luft in die Abtei strömt, steht Moya Brennan wie ein Engel im weißen Kleid auf der Bühne und singt von Weihnachtsfreude im frostigen Winter. Das inspiriert den ein oder anderen Besitzer einer wärmenden Decke zu einem Akt der Nächstenliebe. Geborgen unter flauschigem Textil fällt es dann auch leichter, sich von den folgenden, teils meditativen Hymnen und Liedern aus "Two Horizons" in die Welt mystischer Geschichten entrücken zu lassen. Mit dem Sinnbild der Suche nach einer besonderen Harfe beschwört Moya Brennan melancholische Träume von Frieden und Gerechtigkeit in ihrer Heimat Irland. Dem folgt, wie zu erwarten, eine Weihnachtsbotschaft: "I believe in Christmas, Christmas is here." Manchen Zuhörern ist das ein bisschen zuviel, sie gehen. Doch die meisten bleiben und hören eine wunderbar klare Interpretation von "Stille Nacht", in die sie am Ende einstimmen. Während das Publikum Moya Brennan und ihrer Band stehend Respekt zollt, hallt "In himmlischer Ruh'", nicht nur im Kirchenschiff, sondern auch in der eigenen Seele nach.

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