Der graue Steppenwolf - Ein langer, starker Livekonzert-Abend mit Peter Maffay

Trier · Schlager? Das war einmal. Mit lautstarkem Deutschrock und einer enormen Spielfreude reißen Peter Maffay und seine Band am Sonntagabend mehr als 6000 Zuschauer in der ausverkauften Arena mit.

Trier. Der Mann hat Mumm, das muss man ihm lassen. "Wir spielen unser neues Album", verkündet Peter Maffay. Er meint es wörtlich: Wir spielen es komplett, von Anfang bis Ende. Diese Ansage erfordert Mut. Wenn zuerst das aktuelle Album "Wenn das so ist" vollständig läuft, ist mit den Maffay-Klassikern wie den wohl unvermeidbaren sieben Brücken wohl erst später am Abend zu rechnen. Wenn überhaupt. Das könnte nicht jedem Fan gefallen.
Außerdem verlangt eine solche Dramaturgie dem mittlerweile 65-Jährigen einen langen Auftritt ab, schließlich wollen die Zuschauer mehr erleben als ausschließlich neue Songs. Maffay meistert all diese Hürden mit einer scheinbaren Leichtigkeit und Energie, die absolut außergewöhnlich ist und auch Skeptikern seines Werks hohen Respekt abverlangt.
Die Stimme des gebürtigen Rumänen ist immer noch ausdrucksstark und souverän, ebenso seine Interaktion mit dem Publikum. Heiter und gelassen plaudert er über seine Musik und ihre Vorbilder, selbstironisch blickt er auf sich selbst, fährt zum Motorendonner einer Harley mit einem kleinen BMX-Rad auf die Bühne und fragt im letzten Drittel des Konzerts "Es war Sommer - Wollt ihr das wirklich hören?" Der Schmachtfetzen stammt von 1979 und damit aus einer anderen Welt. Macht nichts, die Arena singt mit. Die Frauenstimmen dominieren.
Die Marke Peter Maffay im Jahr 2015 zeigt eine dreistündige Show, die alle Anforderungen an einen starken Liveabend erfüllt. Neben Maffay selbst ist es seine Band, die ihn seit den späten 80ern begleitet. Musiker wie der Multi-Instrumentalist Pascal Kravetz, der Songschreiber und Gitarrist Carl Carlton und Bertram Engel, ein Meister am Schlagzeug, sind eine Show für sich. Das beweisen sie im mittleren Drittel des Konzerts, als Maffay sich bewusst in die zweite Reihe zurückzieht und seine Leute nach vorne schickt. Carlton spielt Neil Youngs "Heart Of Gold" und "Here Comes The Sun" von den Beatles. Kravetz und Engel hauen "Get Back", ebenfalls von den Beatles, und "Route 66" von Chuck Berry raus.
"Das ist Musik, die uns inspiriert hat", sagt Maffay. "Love Me Tender" von Elvis übernimmt er dann selbst, genau wie - das war zu erwarten - "Born To Be Wild" von Steppenwolf und "Angie" von den Stones.
Das Album "Wenn das so ist" kommt ebenfalls hervorragend an, auch in voller Länge. Die Fans erleben starke gitarrenlastige Stücke wie "Niemals war es besser" und "Nur du hörst". Der Saxofonist Everette Harp, neu im Maffay-Team, und ein starker Backgroundchor prägen Titel wie die Bikerhymne "Gelobtes Land". Doch die Maffay-Party in Trier hat auch ruhige, intensive Momente. "Bis zum Schluss" ist ein Song für den 2013 gestorbenen Fritz Rau, eine Legende unter den Konzert- und Tourneeveranstaltern der vergangenen Jahrzehnte. Dann wird es still in der Arena. Maffay appelliert an Vernunft und Menschlichkeit. Die Songs "Wenn das so ist" und "Halleluja" präsentiert er mit seinen Musikern als Signal gegen Terror und Fremdenhass, auf der Leinwand blinken die Worte "Je suis Charlie".
Ein näherer Blick auf die Fans lohnt sich bei Maffay immer. Ihre pure Begeisterung für den Mann, der 1964 seine erste Band gegründet hat, ist ein Erlebnis für sich. In der Arena sind sie alle vertreten, die Fanclubs mit den einheitlichen T-Shirts, die älteren Semester mit Erinnerungen an die 70er und 80er, die 20- und 30-Jährigen mit Freude an guter Musik. Die letzte Zugabe "Sonne in der Nacht" kommt nach Karats "Über sieben Brücken musst du gehn" und schließt eine grandiose Show ab, die sich erfreulicherweise nicht auf Maffays Meilensteinen ausgeruht hat.Extra

Peter Maffay wird 1949 in Graf Draculas Heimat Transsilvanien (Rumänien) geboren. 1970 veröffentlicht er seine erste Single "Du", die in Deutschland zum Hit des Jahres wird. Heute hält Maffay einen Rekord: 16 seiner Alben, darunter auch "Wenn das so ist", haben Platz eins der deutschen Charts erreicht. Das hat in Deutschland sonst niemand geschafft. Maffay ist auch gesellschaftlich sehr stark engagiert, seine Stiftung hilft traumatisierten und benachteiligten Kindern und Jugendlichen. jp

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