Der neue Trierer Theaterintendant Karl Sibelius über Machtansprüche, mehr Musicals, neue Namen und stinkende Abflüsse

Trier · Hart, aber herzlich: Eine geballte Ladung Macht wird Karl Sibelius haben, wenn er Generalintendant des Theaters Trier wird. In rund 250 Tagen nimmt er seine Arbeit auf. Vieles hat er schon erledigt: Das schillernde Führungsteam steht. Namhafte Regisseure wollen kommen. Es soll mehr Musicals geben. Allein die Zukunft des maroden Gebäudes ist völlig ungewiss.

 Will am Trierer Theater vieles neu gestalten: Karl Sibelius winkt als Generalintendant eine geballte Ladung Macht. Foto: privat

Will am Trierer Theater vieles neu gestalten: Karl Sibelius winkt als Generalintendant eine geballte Ladung Macht. Foto: privat

Nach Liebe klingt das erstmal nicht: Da gehe man durch völlig verschlurfte, verwinkelte Gänge und sitze in einem Loch, um seinen Kaffee zu trinken. Die Abflüsse stänken, die Fenster seien undicht, der Ballettsaal eine Zumutung. Und die Duschen! "Es fühlt sich so ungesund an", sagt Karl Sibelius mit feinem österreichischen Akzent über das verborgene Innenleben des Trierer Theaters, dessen Intendant er in rund 250 Tagen sein wird. Und doch ist der Bregenzer, der derzeit ein kleineres, aber für seine innovative Arbeit preisgekröntes Theater in Niederbayern leitet, für Trier entbrannt. "Das Haus ist einfach marode. Ich freue mich drauf", sagt er. Und man nimmt ihm seine Vorfreude ab.

Vielleicht gerade weil er in Trier alles neu erfinden und mitgestalten kann: personell, organisatorisch, künstlerisch und baulich. Ob das Theater grundlegend saniert oder komplett neu gebaut wird, ist offen. "Aber den Flächenplan haben wir abgeschlossen", sagt Sibelius, der sich drei Bühnen wünscht (der TV berichtete). Über den Plan werden nun die städtischen Gremien entscheiden. Politiker, die Sibelius einen klaren Auftrag erteilt haben: Er soll ein Drei-Sparten-Haus leiten. Und zwar als Generalintendant, der sowohl die Kunst als auch das Geld verantwortet. Zu der geballten Ladung Macht, die ihm in Trier bald zur Verfügung stehen wird, sagt er zwar selbstironisch, das sei ja unsympathisch, und lacht ein kleines, kokett glucksendes Lachen. Teilen will er sie dennoch nicht: Dass der Generalmusikdirektor Victor Puhl ihm anders als die anderen Spartenchefs nicht untergeordnet sein wird, passt Sibelius nicht. Es soll schon klar sein, wer die Verantwortung hat. Für Kunst und Budget: er alleine. Puhls Vertrag laufe bald aus. Man müsse diskutieren, wie es dann weitergehe.

Dennoch gibt es kaum ein Wort, das der designierte Generalintendant häufiger nutzt als das Wort "wir". Wir, das ist sein neues Führungsteam. Lauter Namen, die in der Welt von Tanz, Musik und Schauspiel Klang haben. Schauspielchef wird Ulf Frötzschner, zurzeit Dramaturg am Theater Luzern. Ganz neu richtet Sibelius eine Operndirektorin ein und zwar Katharina John, eine der profiliertesten deutschen Operndramaturginnen. Für das Ballett wird es gleich drei namhafte Spitzenkräfte geben: Susanne Linke, Urs Dietrich und Waltraut Körver. Betriebsdirektor und damit Sibelius' Stellvertreter wird der in Trier aufgewachsene Sänger Tobias Scharfenberger und Marketingchefin die bekannte Mezzosopranistin Susanne Reinhard. Alle haben schon auf der Bühne gestanden. Selbst der neue Controller des Stadttheaters (Dirk Eis), der für finanzielle Transparenz sorgen soll, ist Weltmeister im Showdance.

Auch sonst wird sich personell vieles ändern. Sibelius hat Tabula rasa gemacht und allen kündbaren Künstlern gekündigt - die Stimmung ist entsprechend gedrückt. "Ich bin selbst Schauspieler. Da gehören Wechsel dazu", sagt Sibelius - obwohl er sich nicht möge, wenn er so spreche. So sei das. Die neuen Spartenleiter sollen selbst entscheiden können, wen sie dabeihaben wollen. Namen will der künftige Intendant noch keine nennen. Fest steht: Alle Stellen werden wieder besetzt. Auch die Größe des Orchesters stehe nicht infrage.

Wo sich die Bühnen der Zukunft befinden, ist ungewiss. Wegen Bauarbeiten womöglich zunächst in einem Zelt. Doch was für eine Art von Theater er haben möchte, weiß Sibelius ganz genau. Ein "Ermöglichertheater". Eines, das viel wagt. Das die Leute auch aus den Dörfern anlockt und über die Grenzen der Region hinaus bekannt ist.

Offene Türen, neue Partner

"Es gibt viele namhafte Regisseure, die mit uns arbeiten wollen", sagt der 45-jährige Kulturmanager, der selbst mehrfach Regie führte. Geplant sei eine enge Zusammenarbeit mit den Hochschulen und der Tufa - insbesondere beim Kinderprogramm. Auch das Mosel Musikfestival sehe er als Partner. "Wir möchten allen die Türe öffnen", lautet sein Credo. Und: Sibelius will Entertainment. Er will Musicals. Produziert werden sollen sie in Kooperation mit dem Stadttheater Klagenfurt. Mit dem Grand Théâtre Luxemburg will er Schauspieler austauschen. Europaweit streckt sein Team die Fühler aus. "Wir wollen offen sein und neugierig", sagt der Künstler und Manager mit so brennendem Enthusiasmus, dass die düsteren Gedanken an dunkle Gänge, stinkende Abflüsse und all die nötigen Millionen für das marode Theater für einen Moment keine Rolle spielen.

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