Der sinkende Stern des Antichristen

Mit seiner düsteren Lightshow und seinen martialischen Auftritten sorgt Marilyn Manson auf seinen Konzerten für Aufsehen. Im luxemburgischen Esch lieferte er eine handwerklich gute Show.

 Der König der Finsternis spielt mit Laser-Pointern, um seine Fans zu beeindrucken. Foto: Isabella Finzi

Der König der Finsternis spielt mit Laser-Pointern, um seine Fans zu beeindrucken. Foto: Isabella Finzi

Esch. Esch ist von einer Schneehülle überzogen. Weihnachten naht. Manche feiern die Geburt des Christen. Andere dagegen die Ankunft eines selbst ernannten Antichristen: Schock-Rocker Marilyn Manson besucht das Großherzogtum.

Wenn es ein Künstler der Rockwelt in den letzten beiden Jahrzehnten fertiggebracht hat, die Menschen zu verwirren, dann ist es wohl Brian Warner mit seinem schillernden Alter Ego, Marilyn Manson. Schauspieler, gestandener Schock-Rocker mit Vorliebe für die Symbolik des Satanismus und des Dritten Reichs, Maler mit Hang zum Morbiden, dann wieder glamouröser Rockstar, der mit seinen nicht minder glamourösen Beziehungen die Boulevard-Presse erfreut.

Dabei lässt der zur Rock-Ikone herangewachsene Manson immer wieder etwas mehr Intelligenz durchschimmern, als die meisten von einem auf Provokation ausgerichteten Rockmusiker annehmen würden - seine gelegentlich mit Metaphern und literarischen Verweisen gespickten Texte zeugen von einer Tiefe, die seine Kollegen missen lassen. Dass diese morbide Poesie dann vom Herrn Manson mal heiser-lasziv geflüstert, mal aggressiv gekläfft wird, ehe sie in einer Wand aus Gitarrenriffs und industriellen Soundfetzen untergeht, gehört eh zur weniger subtilen musikalischen Stilrichtung.

Am Sonntag war es dann für alle Schwarz-Träger wieder so weit - der Schock-Rocker gab sich zum zweiten Mal die Ehre in der Rockhal in Esch. Ein Blick ins schwarze und doch bunt gemischte Publikum zeigt seine Fans: Da stehen erwartungsgemäß Herren und Damen in schwarzen Mänteln, zerschlissenen Netzstrümpfen und High-Heels gleich neben ganzen Familien, wo die Eltern dem Sohnemann noch schnell eine farbige Irokesen-Frisur gezaubert haben.

Schock-Rock für die ganze Familie? Das sollte nichts Neues sein, betrat er doch bereits vor gut zehn Jahren das Terrain des Mainstream-Rocks, erfand sich auf der "Mechanical Animals" neu als eine Art Cyber-Bowie, als androgyner Android, zugleich Produkt als auch Anfechter der westlichen Konsumwelt.

Wer nimmt ihm noch die subversive Tiefe seiner Songs ab, die sich mit Schein, Oberflächlichkeit und Narzissmus der Hollywood-Welt auseinandersetzen? Manson mimt heute selber den divenhaften Narziss, der sich von Lakaien Handtuch und Getränke reichen lässt, diese auch gelegentlich zickig fallen lässt - oder es dem nach ihm lechzenden Mob in den ersten Reihen überlässt.

Zu ziel- und konzeptlos wirkt seine Selbst-Inszenierung, wenn er zum Beispiel einen Stahlhelm anzieht oder eine Luxemburger Fahne als Schal trägt. Die Wirkung von Mansons Provokations-Kiste verpufft - besonders bei seinen eigenen Fans.

Ironischerweise verkommt seine Show somit selbst zu einer inhaltslosen Hülle, zu einem oberflächlichen Schein, den er gerade in seinem Song "Dope show" an den Pranger stellte. Insgesamt verhält es sich mit Marylin Manson im Jahre 2009 genauso wie mit zeitgenössischen Vampirfilmen: solides Handwerk, gute Unterhaltung, aber alles in allem doch etwas zahnlos. Und das gehört sich nun doch wirklich nicht für einen Fürsten der Dunkelheit.

Dan Luciani ist Mitarbeiter der Luxemburger Tageszeitung "tageblatt" in Esch.

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