Deutschland - eine Baustelle

Im Zentrum der Macht dreht sich die Welt langsamer. Dafür redet Mathias Richling umso schneller bei seinem satirischen Rundumschlag gegen die deutsche Politik im aktuellen Programm "E = m · Richling²", mit dem er vor rund 550 Zuschauern in der Europahalle Trier gastierte.

 Es gibt viel zu tun auf der Baustelle „Deutschland“: Mathias Richling fängt schon mal an, verbal mit dem Chaos aufzuräumen. TV-Foto: Mechthild Schneiders

Es gibt viel zu tun auf der Baustelle „Deutschland“: Mathias Richling fängt schon mal an, verbal mit dem Chaos aufzuräumen. TV-Foto: Mechthild Schneiders

Trier. (mehi) Deutschland nach der Wahl gleicht einer Baustelle. Emsig schiebt Mathias Richling auf der Bühne der Trierer Europahalle Bauzäune in schwarz, rot, gold von rechts nach links, rückt Gartenzwerge ins rechte Licht. Die Schubkarre wird zum Totenbett, auf dem Richling als gebiss-klappernder Komapatient über Sterbehilfe philosophiert, die Mülltonne (Aufschrift: "keine Flaschen") zum Rednerpult, hinter dem sich Merkel und Köhler streiten, wer die Weihnachts- und wer die Neujahrsrede hält. Jedes Requisit hat gleich mehrere Funktionen, der Wende-Mantel ist mal Arbeits-, mal Arztkittel. Es dominieren die Deutschlandfarben: schwarzes Jackett, rotes Hemd, gelbe Krawatte.

Denn um Deutschland nach der Wahl macht sich Richling viele Gedanken. Hat er doch die Weltformel der Politik gefunden: "E = m · Richling{+2}". Denn: "Politik ist äußerst relativ." Als Einstein klärt der schwäbische Kabarettist die rund 550 Zuschauer über das Missverständnis und -verhältnis zwischen Politiker und Bürger auf und kommt zu dem Schluss: Schuld ist das unterschiedliche Zeitempfinden. Denn: "Wer von außen zuschaut, sieht ziemlich alt aus." Dort, im Machtzentrum, herrsche völliger Stillstand, "weil niemand mehr raus will". NZ = MA (Neuzeit ist gleich Mittelalter) lautet Richlings Fazit dieser komplizierten Rechnung.

Doch der Weg dahin ist lang. Knapp zwei Stunden dauert er. Richling führt rasant durch die Niederungen des politischen Alltags und auf die Höhen der politischen Herrschaft. So rasant, wie der 56-Jährige das Personenkarussell im neuen Kabinett drehen lässt. So rasant, dass dem Publikum schier schwindelig wird bei den ständig wechselnden Themen und den zahlreichen Politikern, die der Schnellsprecher gekonnt im jeweiligen Dialekt auf die Schippe nimmt. Müntefering, von der Leyen (inmitten der Zwergenschar), Steinmeier, Schäuble, Pofalla und Lafontaine, "der Untote der Politik" - Richlings Sarkasmus macht vor keinem Halt.

Auch nicht vor Westerwelle und Merkel, dem Liebespaar à la Romeo und Julia, "wobei ihn ihr Balkon gar nicht interessiert". Nicht vor der Abwrackprämie, vor Gesundheitsreform und Klimawandel und auch nicht vor SPD-Wahlschlappe und der Regierungskoalition. Das kommt gut an beim Trierer Publikum, das von der ersten Minute an mitgeht und zum Finale jedem Satz einen Lacher hinterherschickt.

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