Die Angst vor der Grenzüberschreitung

TRIER. Das Thema "Grenzüberschreitende Kultur" gehört zum Standardrepertoire aller Sonntagsreden in der Großregion Saar-Lor-Lux-Trier. Um so erstaunlicher, dass eine hochkarätig besetzte Diskussionrunde in Trier von der einheimischen Kultur-Szene und einem Großteil der Politik ignoriert wurde.

Die Besetzung hätte kaum spektakulärer sein können. Guy Dockendorf, Verwaltungsrats-Chef der Kulturhauptstadt 2007 und seit vielen Jahren (und Ministern) einflussreichster Kulturpolitiker Luxemburgs, war ebenso nach Trier angereist wie Philharmonie-Intendant Matthias Naske - der Mann, der die Mutis, Maazels und Gruberovas auf den Kirchberg holt. Aus Metz kam Richard Stock vom "Centre Robert Schuman", die Farben der Region Trier vertrat ein spannender Querdenker wie der Wittlicher Kulturamtsleiter Justinus Maria Calleen. Dem hochkarätigen Podium saßen im VHS-Saal am Domfreihof sage und schreibe dreizehn Besucher gegenüber - Veranstalter, Presse und einen etwas betrübt dreinblickenden Trierer Kulturdezernenten Ulrich Holkenbrink großzügig eingerechnet. Hundert Kultur-Organisationen hatte Initiator Martin Folz nach eigenen Angaben eingeladen, nebst großzügiger Ankündigung in der Presse. Und dann die blamable Resonanz: Keine Kunstvereine, keine Veranstalter, keine IRT, kein Theater, keine Moselfestwochen, niemand aus den Landkreisen, kaum Künstler, kaum Kommunalpolitiker. Eine glatte Dialogverweigerung. Vielleicht lag's am abstrakten Thema "Kulturförderung als Friedensarbeit", aber daran hielt man sich unter der versierten Diskussionsleitung von VHS-Chef Rudolf Hahn ohnehin nicht lange auf. Im Mittelpunkt stand - wohl auch unter dem niederschmetternden Eindruck des leeren Saals - die Frage, wie man Akzeptanz gewinnt für die Idee einer Kulturszene, die über alte Grenzen hinweg neue gemeinsame Identitäten schafft. Guy Dockendorf bezeichnete Projekte wie den Robert-Schuman-Jugendchor und das trinationale Kulturinstitut in der Abtei Neumünster als vorbildlich. Richard Stock forderte, die Schulen als "Erwecker" für grenzüberschreitendes Bewusstsein einzusetzen, zum Beispiel durch die Lektüre von Literatur aus der Großregion im Unterricht. Justinus Maria Calleen diagnostizierte ein "Defizit an kulturellem Diskurs" und monierte, dass die Kooperation "oft schon am Ortsschild endet". Matthias Naske wartete sofort mit einem praktischen Gegenbeispiel auf: Er bot an, Luxemburger Konzertprogramme für Kinder auch in Trier und Metz aufzuführen. Dass Kultur "mehr Marketing" (Stock) brauche, war Konsens in der Runde der wenigen Anwesenden. Ob Luxemburg dabei als "Dampfer" fungieren soll, "in dessen Windschatten die anderen rudern" (Calleen), blieb umstritten. Unumstritten dürfte aber sein, dass die Kulturszene in Saar-Lor-Lux und vor allem Trier nicht weiterkommt, wenn sie Dialogchancen wie diese so kläglich vergibt.

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