Die Callas von Karlsruhe

KARLSRUHE/TRIER. Fünf Jahre lang, von 1995 bis 2000, brillierte Barbara Dobrzanska als lyrische Sopranistin am Trierer Theater. Inzwischen ist sie zum Publikumsliebling am renommierten Badischen Staatstheater in Karlsruhe avanciert.

Sie hat nichts von ihrer Faszination verloren, im Gegenteil. Ihre Stimme ist tragfähiger, stabiler geworden, füllt mühelos die riesige Karlsruher Bühne, trägt federleicht bis in die letzte Reihe unterm Dach. Barbara Dobrzanska singt die Margarete in einer großartigen Produktion von Boitos Faust-Oper "Mefistofele", und wenn es fünf Theater-Minuten gibt, für die es sich lohnt, die 200 Kilometer von Trier nach Karlsruhe zu fahren, dann jene, in denen sie, dem Wahnsinn nah, die Arie "Un altra notte" singt. Das Publikum in der Repertoirevorstellung an einem gewöhnlichen Donnerstagabend schreit und trampelt vor Begeisterung. Dobrzanskas Leistung in dieser Rolle hat auch die versammelte Kritik zu Beifallsstürmen hingerissen. Von "bedingungsloser Hingabe und ansprechender Sopran-Substanz" schreibt die Rheinpfalz, die Sängerin "modelliert ausdrucksstark Seelenzustände", schwärmt die Badische Zeitung, die Kollegen vom Tagblatt bieten mit "ergreifend, grandios, hinreißend beseelt" das komplette Begeisterungs-Repertoire auf. Die Stuttgarter Nachrichten gar, wahrlich kein Provinzblatt, nennen sie "die Karlsruher Callas". Ihr Status als Publikumsliebling lässt sich auch an den Rollen ablesen, die sie in dieser Saison übernimmt. Puccinis "Butterfly", Verdis "Luisa Miller", Tschaikowkys "Tatjana", die "Antonia" in "Hoffmanns Erzählungen", Schwester Angelica in Puccinis "Tryptichon": Es sind die großen, tragischen Figuren, denen Barbara Dobrzanska Leben einhaucht.Irgendwann einmal an Tosca denken

So wie sie es in Trier mit Desdemona tat, mit der "Traviata", mit Mimi, Nedda und Bellinis Giulietta. Und so, wie die Stimme sich entwickelt, darf man irgendwann vielleicht auch an eine Tosca denken. Im Gegenzug hat sie sich von den alten Koloratur-Rollen weitgehend verabschiedet. "Das habe ich schon ewig nicht mehr ausprobiert", lacht sie beim Gespräch in der Karlsruher Theaterkantine. Von Star-Allüren keine Spur, eher umgekehrt: Dobrzanskas sympathisch-ruhige Art, die Abwesenheit von jeglichem Diven-Gehabe steht der ganz großen Karriere vielleicht ein bisschen im Weg. An Anfragen großer Häuser fehlt es nicht, oft aber an freien Terminen angesichts der vielfältigen Karlsruher Verpflichtungen. Mit Trier fühlt sich Barbara Dobrzanska immer noch verbunden, nicht nur, weil ihr Steuerberater und einige alte Freunde noch hier residieren. Was im Trierer Ensemble los ist, welche Produktionen anstehen: Darüber ist sie immer noch ganz gut informiert. Und ein Auftritt an alter Wirkungsstätte? "Wenn es die Termine zulassen, gern", sagt die zierliche Sängerin. Aber in den letzten Jahren habe niemand gefragt. Solange das so bleibt, werden wohl immer mal wieder Trierer "Fans" nach Karlsruhe pilgern, um die Faszination einer Stimme zu erleben, die den Zuhörer an einem Punkt berührt, der sich rationaler Analyse entzieht. Im Dezember, Januar und Februar ist Barbara Dobrzanska in Karlsruhe als Antonia, Margarete und Butterfly zu erleben, im März wird Luisa Miller wieder aufgenommen, ab Juli steht das "Tryptichon" erneut auf dem Spielplan. Informationen unter www.staatstheater.karlsruhe.de oder 0721/933333.

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