Die Hängepartie geht weiter

Ganze neun Monate vor Beginn stehen Spielort und Termin (27. Juni bis 19. Juni) der Antikenfestspiele 2009 fest. Aber zur Zukunft des Festivals gibt es weiterhin jede Menge Fragezeichen. Bis Ende Oktober soll Klarheit geschaffen werden.

Trier. Hoffnungsvoll hatte Kulturdezernent Ulrich Holkenbrink letzte Woche mit einem neuen Lärmgutachten unterm Arm den Weg zur SGD Nord nach Koblenz angetreten. Nicht ganz umsonst: Immerhin stellte die Genehmigungsbehörde ihr Plazet für eine weitere Ausnahmeregelung zur Nutzung des Amphitheaters im kommenden Jahr in Aussicht.

Mehr ist derzeit wohl nicht drin. Eine Dauer-Nutzungsgenehmigung für die in einem reinen Wohngebiet gelegene antike Spielstätte ist an eine Änderung der Bauleitplanung und eine Verringerung der Lärm-Emissionen gebunden.

Die angedachte Einrichtung eines "Sondergebietes" könnte freilich Jahre dauern. Deshalb wird die Hängepartie um den Austragungsort der Antikenfestspiele wohl zur dauerhaften Einrichtung. Mit fatalen Folgen: Weder Stadt noch Land können dringende Infrastruktur-Investitionen wie Orchester-Überdachung oder Umkleidebereich angehen, auch die Spielplanung muss sich weiter von Saison zu Saison hangeln.

Die Konsequenz ist schon für 2009 absehbar. Statt einer Neuproduktion im Musiktheater will Intendant Gerhard Weber angesichts der Kürze der Zeit und der Überlastung seiner Kostüm-Abteilung den "Nabucco" wieder aufnehmen, wenn auch mit neuem Regie- und Raumkonzept - ohne "Trash People". Ob es dafür auch ein neues Publikum gibt, muss sich zeigen. Dazu kommt eine Tanztheater-Produktion mit eigenen Kräften plus das bereits mehrfach angekündigte und immer wieder entfleuchte Stummfilm-Live-Konzert mit der städtischen Philharmonie.

Offiziell ist das alles noch nicht: Die Planungen im künstlerischen Bereich - inklusive Ausblick bis 2012 - sollen laut Holkenbrink bis Ende Oktober abgeschlossen werden. So lange ist naturgemäß auch keine wirksame Werbung möglich.

Der Verbleib im Provisorium Amphitheater bedeutet auch, dass sich der Dezernent wieder auf die Suche nach einem Sponsor begeben muss, der 100 000 Euro für die Hang-Tribüne und die Mehrkosten für die großräumige Bühnengestaltung locker macht. Dennoch scheint man bei der Stadt fest entschlossen zu sein, am Amphitheater festzuhalten und nicht, wie vom Eigentümer "Burgen, Schlösser, Altertümer" angeregt, auf die Palaestra vor den Kaiserthermen zu wechseln.

Massive Auflagen für die Genehmigung



Der Preis für die Hartnäckigkeit dürfte allerdings hoch sein, denn die SGD Nord bindet ihre Ausnahmegenehmigung dem Vernehmen nach an klare Bedingungen: Die Stadt soll das Catering-Zelt vom Nordeingang entfernen, den Verkehr rund um die Anlage spürbar reduzieren, den Schallschutz für die Anwohner verbessern und die Zahl der Veranstaltungen auf ein Mindestmaß beschränken. Gerade letzteres birgt reichlich Zündstoff. Sollen die Festspiele und das Römerfest "Brot und Spiele" im Amphitheater bleiben, müssten wohl Ingo Popps Open-Air-Konzerte weichen. Popp hatte sich zuletzte ganz auf das Amphitheater konzentriert.

Offene Fragen gibt es auch um das längerfristige künstlerische Konzept. In den letzten Jahren galt die Priorität der großen Oper in einem imposanten Raum-Konzept - was nur im Amphitheater möglich ist. Jetzt steht für 2010 wieder eine kleinere Produktion in den Kaiserthermen im Raum. Dorthin war man auch schon früher ausgewichen, was jeweils einen erheblichen Einbruch bei den Zuschauerzahlen nach sich zog.

In der überregionalen Festival-Landschaft spielen die Antikenfestspiele inzwischen eine eher untergeordnete Rolle. Dort sind Vorlaufzeiten von zwei bis drei Jahren mit einer entsprechenden frühzeitigen Werbung Standard. Das gilt nicht nur für die touristische Verwertung: Auch das Engagement profilierter und zugkräftiger Künstler - in Trier früher üblich - setzt mehrjährige Vorplanung voraus.

Meinung

Alle Jahre wieder

Wieder eine Notlösung, wieder ein Provisorium. Seit zehn Jahren bekommen die Antikenfestspiele nicht, was ein im Aufbau befindliches Festival dringend braucht: Konstanz, eine klare Linie, präzise Zielvorgaben. Man eiert von Saison zu Saison herum. Dabei zahlen die jetzt Verantwortlichen auch die Zeche für frühere Versäumnisse. Die Frage des Interessenkonflikts mit den Amphitheater-Anwohnern hätte vor zehn Jahren geklärt werden müssen. Wenn die Stadt aber an der Spielstätte Amphitheater festhalten will, dann muss sie das mit aller Konsequenz tun. Dann sind die verkehrs- und bautechnischen Voraussetzungen zu schaffen, dann muss ernsthaft versucht werden, die bebauungsrechtliche Situation zu verändern, auch wenn dabei Ärger droht. Das Thema Orchester-Überdachung gehört endlich konkret auf den Tisch, und zwar mit pragmatischen Lösungen, nicht mit unfinanzierbaren Spinnereien. Klar ist aber auch: Wenn die Priorität Amphitheater gilt, dann muss dort gespielt werden. Und nicht alle drei Jahre wieder woanders, weil das Geld nicht reicht oder das Stück nicht passt. Um dann wieder am Nullpunkt zu beginnen. Entweder ganz oder gar nicht: Diese Devise, die der in Sachen Festspiele recht schweigsame OB Jensen einst in Wahlkampftagen ausgegeben hat, gilt auch für die Standort-Frage.

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