Die Könige der Stille

Esch · Leise ist das neue Laut: Die norwegischen Songwriter Kings of Convenience haben 2001 mit "Quiet is the new Loud" eines der einflussreichsten Alben des jungen Pop-Jahrtausends vorgelegt. Im ausverkauften Rockhal-Club präsentierten Erlend Øye und Eirik Glambek Bøe ihr Debütalbum am Stück - und das war längst nicht alles.

 Erlend Øye und Eirik Glambek Bøe, alias Kings of Convenience, beim Soundcheck in der Rockhal Esch. Während des Konzerts am Abend waren keine Foto-Aufnahmen erlaubt. Foto: Claude Piscitelli

Erlend Øye und Eirik Glambek Bøe, alias Kings of Convenience, beim Soundcheck in der Rockhal Esch. Während des Konzerts am Abend waren keine Foto-Aufnahmen erlaubt. Foto: Claude Piscitelli

Foto: claude piscitelli (g_kultur

Esch. Endspurt im Studio, ist ja fast fertig, der Song: Schnell noch sieben Gitarrenspuren draufgetürmt. Ein paar scharfe Bläser. Die obligatorischen Glutamat-Geigen. Ein fetterer Beat. Mehr Baaassss! Und kräftig Autotune auf die Stimme. Soll ja nicht klingen wie ein Mensch, der Sänger. Und schon ist er fertig, der neue Hit aus der Hölle. Das klang 2001 nicht viel anders als 2015. Laut ist nur der kleine Bruder von lauter.
Jetzt aber still! Erlend Øye und Eirik Glambek Bøe, beide 39, sind der perfekte Gegenentwurf zum überproduzierten, aufmerksamkeitsheischenden Pop- und Rock-Mainstream. "Quiet is the New Loud", apostrophierten die Kings of Convenience bei ihrem Debüt vor fast 15 Jahren. Der Titel wurde zum Slogan. Laut sein kann schließlich jeder. Aber wer leise ist und trotzdem gehört wird, hat auch was zu sagen.
Das Album war eine kleine Oase. Zwei Mittzwanziger mit Akustik- und Konzertgitarre, dazu zweistimmiger, sanfter Gesang. Wer da beim Lesen spontan an Simon & Garfunkel denken muss, liegt nicht so falsch. Und die Kings of Convenience haben für ein Popduo das wohl andächtigste und - naürlich nur während der Songs! - leiseste Publikum der Welt.
Øye, der schon üppige Hipster-Hornbrillen trug, als sie noch weltexklusiv den Ü60-Weitsichtigen vorbehalten waren, ist seitdem veritabler Popstar geworden - mit der inzwischen aufgelösten Band Whitest Boy Alive und als Solokünstler. Das dritte und aktuellste KoC-Album ist dagegen schon fast sechs Jahre alt. Nachfolger? Kann dauern, sagen beide.
Bøe mag den Trubel weniger, er steht abseits der Bühne seltener im Fokus. Rund ums Erscheinen des Debütalbums hatte er unter dem Burnout-Syndrom gelitten. Das sagt er im Interview vor dem Konzert. Die Talkrunde gehört zum Konzept bei der ausverkauften Mini-Tour, die in Esch begonnen hat. Anlass ist das Buch des Journalisten Ørjan Nilsson über die Entstehung des Albums, das die beiden bei ihrem ersten Auftritt in Luxemburg in voller Länge spielen. Dazu gibt\'s zwei lautstark gefordete Zugaben - darunter auch den Wunsch eines Fans aus Glasgow. "Days I had with you" hatte es nicht aufs Album geschafft. Geprobt haben es die Norweger seit Jahren nicht: "Wir versuchen es trotzdem", kündigt Øye spontan an. Klappt doch!
Perfekt unperfekt und sehr sympathisch, so präsentieren sich die "Könige der Bequemlichkeit". Dass Øye ausgerechnet bei "Failure is the best way to learn" einen kleinen Texthänger hat, könnte man als selbstironischen Twist werten. Wer aus dem Publikum zum ersten Mal in Luxemburg ist, will Øye von den rund 500 Zuschauern im bestuhlten Club wissen. Mehrere Dutzende Hände gehen nach oben: Fans aus Island, Serbien, Zypern sind angereist. "Oh, wir spielen für die Vereinten Nationen", scherzt Øye. Auf jeden Fall für Freunde des Schönen, Zarten, Leisen.

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