Die Leselust steckt im Sparkorsett

TRIER. In Grußworten und Eröffnungsreden hält die Politik das Lesen und die Förderung öffentlicher Büchereien hoch. Die Realität sieht anders aus. Vor allem die Trierer Region ist von einer flächendeckenden Versorgung mit öffentlichen Büchereien weit entfernt.

Das Problem kam bei den Bibliothekstagen Rheinland-Pfalz Ende September zu Tage. Von mehr als 200 öffentlichen Büchereien im Land nahmen nämlich nur mickrige 14 aus der Trierer Region an dieser Selbstpräsentation teil. Eine Bibliotheksleiterin brachte das Defizit auf eine knappe Formel: Es nehmen nicht mehr Büchereien aus der Region teil, weil es dort nicht mehr gibt. Das ist zwar mit Zahlen zu widerlegen, trifft aber dennoch den Kern des Problems. Tatsächlich befinden sich Rheinland-Pfalz und vor allem die Region Trier auf den hinteren Plätzen, was die Versorgung mit öffentlichen Bibliotheken angeht. Nach der Deutschen Bibliotheksstatistik von 2003 belegt das Land mit 838 öffentlichen Büchereien zwar bundesweit einen beachtlichen Mittelplatz. Der geht jedoch beim Vergleich der Bibliothekarsstellen und der finanziellen Aufwendungen gleich wieder verloren.Rheinland-Pfalz liegt weit hinten

Mit knapp 21 Millionen Euro rangiert Rheinland-Pfalz unter den Flächenstaaten weit hinten. Nur Thüringen (knapp 19 Millionen), Mecklenburg-Vorpommern (gut 16 Millionen) und das kleine Saarland geben weniger aus fürs Lesen. Auch an der professionellen Betreuung der Büchereien mangelt es. Während Baden-Württemberg mehr als 1000 Stellen mit Fachpersonal besetzt hat und damit weit vorne liegt, beschränkt sich Rheinland-Pfalz auf gut 200 Stellen. Von den Flächenstaaten liegen nur noch Schleswig-Holstein (112 Stellen) und das Saarland (42 Stellen) darunter. Legt man die Aufwendungen auf die Einwohner um, dann trägt Rheinland-Pfalz bei 5,12 Euro pro Einwohner sogar die rote Laterne, wobei in dieser Summe die Aufwendungen der kirchlichen Träger mitgerechnet wurden - die öffentliche Hand gibt also noch weniger aus. In der Trierer Region sieht es noch düsterer aus als andernorts im Land. Ohnehin liegt Deutschland bei den öffentlichen Büchereien, aber auch den wissenschaftlichen Bibliotheken nicht gerade an der Spitze der Industrienationen. Die Bundesvereinigung deutsche Bibliotheksverbände und die Bertelsmann-Stiftung machen in ihrem Strategiekonzept "Bibliothek 2007" jedenfalls gravierende Mängel aus: Keine Bibliotheks-Entwicklungspläne auf nationaler EbeneKeine zentrale, bundesweite KoordinationFehlen verbindlicher QualitätsstandardsErhebliche finanzielle EinschnitteDie Initiatoren fordern unter anderem eine bundesweite gesetzliche Grundlage für das Bibliothekswesen und eine verbindliche Grundfinanzierung. An Rhein und Mosel jedenfalls gehören die Aufwendungen für die Bibliotheken nach wie vor zu den sogenannten "freiwilligen Ausgaben". Was bedeutet: Im Zweifelsfall wird hier der Rotstift zuerst angesetzt.Außerdem schlägt das Strategiekonzert die Gründung einer Bibliotheksentwicklungsagentur (BEA) vor. Sie soll ein zentrales Steuerungselement sein. Greifen soll das vorgeschlagene Maßnahmenpaket im Jahr 2007. Die Initiatoren sind optimistisch: "Ein Kind, in Deutschland in diesem Jahr 2007 geboren, wird Zeit seines Lebens auf qualifizierte Information zurückgreifen können." Von solchen Perspektiven können die meisten Bewohner der Trierer Region derzeit nur träumen. Zwar gibt es im ehemaligen Regierungsbezirk immerhin 110 Bibliotheken. Von einer flächendeckenden Versorgung ist das Bibliothekswesen jedoch weit entfernt. Wer nicht in Trier oder einem Mittelzentrum wohnt, hat es schwer. Fast 300000 Einwohner, das sind 60 Prozent der Gesamtbevölkerung in der Region, leben in einem Ort ohne öffentliche Bibliothek. Im Kreis Daun beispielsweise gibt es neben der Kreisbibliothek nur noch zwei öffentliche Büchereien in kommunaler Trägerschaft - selbstverständlich mit ehrenamtlichen Mitarbeitern. In 66 Orten, mehr als der Hälfte aller Bibliotheksgemeinden stehen kleine und kleinste Pfarrbüchereien im Verbund der Katholischen Öffentlichen Büchereien (KÖB) zur Verfügung. Sie werden ehrenamtlich geleitet. Überhaupt liegt die Region mit rund 350 Ehrenamtlichen im Landes- und Bundesvergleich weit vorne. Ohne ihr Engagement würde das Bibliothekswesen wahrscheinlich zusammenbrechen. Auch bei den Aufwendungen pro Einwohner liegt die Region dagegen ganz hinten. Gerade mal 2322000 Euro gibt die öffentliche Hand für das Büchereiwesen aus. Das sind 3,94 Euro pro Einwohner. Rechnet man die Ausgaben der Kirchen hinzu, kommt die Region auf 4,52 Euro pro Einwohner. Beim Schlusslicht Rheinland-Pfalz bildet die Region Trier die Nachhut. Weniger geht nicht mehr.Mit diesem Artikel starten wir eine Serie über die öffentlichen Büchereien in der Region. joaInfo: www.bibliotheksstatistik.de, www.bertelsmann-stiftung.de/verlage; www.bibliothek2007.de

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