Die Lügen der Bilder

LUXEMBURG. Fotos als Erfüllungsgehilfen: Eine Ausstellung der Luxemburger Galerie Clairfontaine leistet einen interessanten Beitrag zur aktuellen Diskussion über den Missbrauch von Bildern.

"Können Bilder lügen?" Ja, klar. Und sie tun es seit langem. Eines der berühmtesten "gelogenen" Bilder ist das "Brautbild" der Anna von Kleve, auf dem Meister Holbein vor einem halben Jahrhundert die Pockennarben wegließ, um die Attraktivität des heiratsfähigen Mädchens zu erhöhen. Anders als die künstlerisch freien Gemälde standen Fotografien als Abbilder der Wirklichkeit lange im Ruf der unbestechlichen Dokumentation. Doch seit jeher bleibt der Ruf der fotografischen Tadellosigkeit ein frommer Wunsch. Mit der jüngsten Kriegsberichterstattung nach bester Propaganda-Manier hat die Diskussion über die Bildmanipulation allerdings eine neue Aktualität erfahren. In einer Welt, die an Bildüberflutung leidet, hat sie ohnehin etwas Existenz sicherndes. Das Internet ist voll von Hinweisen und Veranstaltungen zum Thema, auch das Kunsthistorische Institut der Uni Trier und der Napoleon Katalog des Städtischen Museums Simeonstift stellen sie. Zu den Teilnehmern an der Diskussionsrunde über Missbrauch und Dienstbarkeit der Fotografie gehört auch die Luxemburger Galerie Clairefontaine. Anhand einer Reihe interessanter Fotos, die zum Teil Geschichte geschrieben haben, wird deutlich, wie Fotos zum Instrument von Interessen und Ideologien werden. Das berühmteste der in Luxemburg ausgestellten Fotos ist jenes legendäre von der Hissung der sowjetischen Fahne auf dem zerstörten Berliner Reichstag. In der Abteilung "politische Fotos" sind überdies die alten Kremel-Machthaber und ihre Genossen zu sehen, fein säuberlich retuschiert, auf dass weder Mikrophone noch herumhängende Lampen den ungeteilten Blick auf eine allmächtige Partei und ihre Vertreter stören. Zu sehen sind aber auch ganz "normale" Verbrecherfotos, die von den Redakteuren des "Petit Paris" für den Zeitungsgebrauch in den 30er-Jahren zugeschnitten und nachgebessert wurden. Das Verdienstvolle dieser Ausstellung liegt weniger in der Sensation der Fotos als in dem Bemühen, dem Betrachter die Augen dafür zu öffnen, wie Bilder nach Bedarf in Dienst genommen werden und wie fragwürdig damit ihr Wahrheitsgehalt wird. Bis sich Stern und Sichel seinerzeit in Siegerlaune über den Trümmern Berlins bauschten, bedurfte es - wie in Luxemburg zu sehen - zahlreicher Foto-Versuche. Und die politischen Selbstdarsteller mussten mühsam zurechtgerückt werden, um Triumph zu verkörpern. Was bei dieser Diskussion zu kurz kommt: Propaganda und Eigenwerbung mittels Wort und Bild sind womöglich so alt wie die Menschheit. Man muss es eben nur verstehen, sie zu durchschauen. Bis 3. Juli, di.-fr. 14.30-18.30 Uhr, Sa 10 bis 12 u. 14 bis 17 Uhr, Samstag, 26. Juni, 15 Uhr: Diskussion zum "Missbrauch der Bilder" mit Peter Weibel (ZKM Karlsruhe) und Rolf Sachsse (Medienwissenschaftler, Bonn).

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