"Die Lust war immer da": Für Theater-Intendant Gerhard Weber und sein Führungsteam fällt der Vorhang

Trier · Sie haben dem Theater Trier mehr als ein Jahrzehnt lang ihr Gesicht geliehen. Im Abschiedsinterview sprechen Gerhard Weber, Peter Larsen, Peter Oppermann und Sven Grützmacher über Teamwork, Machtstrukturen, unbespielte antike Stätten und die Eigenheiten des Trierer Publikums.

Trier. Theaterlust lautete das Motto ihrer ersten Spielzeit. Und noch immer sprechen die vier Männer viel von Lust. Nach elf Jahren, 3379 Veranstaltungen, nach 1,3 Millionen Zuschauern, die an mehr als 30 verschiedene Spielorte kamen, um das Theater zu sehen. "Die Lust, miteinander zu arbeiten, war immer da", sagt Gerhard Weber, scheidender Intendant des Trierer Theaters. Nicht alleine, wie erwartet - nein, gemeinsam mit seinem Chefdramaturg Peter Oppermann, mit Musikdramaturg Peter Larsen und Ballettdirektor Sven Grützmacher ist er zum Abschiedsinterview beim Volksfreund erschienen.
Nicht nur die Worte dieser Männer, auch die entspannte Art, wie sie einander zuhören und einander ergänzen, zeigt, wie gut sie sich in einer langen, von Konstanz geprägten Ära des Trierer Theaters kennengelernt haben. Eine Zeit, in der sie immer wieder für den Erhalt des Hauses kämpfen mussten. Sie gingen als Sieger aus diesem Kampf hervor.
Nun nähert sich ihre Ära dem Ende. Am 18. Juli verabschiedet sich das "alte" Ensemble mit einem Fest von Trier. Nur sehr wenige werden bleiben, da die Verträge nicht verlängert wurden. Mit dem designierten Theaterintendanten Karl Sibelius kommen tief greifende Veränderungen auf das Haus zu: neue Spartenleiter, neue Künstler, eine neue Rechtsform. Statt eines Generalmusikdirektors soll es künftig einen Chefdirigenten geben. Und statt eines Neubaus eine Sanierung.
Die Zeit des Abschieds ist gekommen.

Was für eine Art Theater haben Sie da elf Jahre lang gemacht?
Weber: Es war ein Theater für die Stadt mit guten Ensembles, die in der Stadt fest verankert sind. Die Variabilität war für uns wichtig, aber auch die Kontinuität - dass wir für eine Stadt als Menschen da sind. Mit dem Zuschauer face to face. Wissend, dass das Theater sich den Menschen öffnen muss, um Akzeptanz zu finden.
Oppermann: Wir haben auf Augenhöhe agiert, sind leidenschaftlich auf die Menschen zugegangen mit dem Anspruch, Identität zu stiften.

Hat Ihre Lust auch das Publikum erfasst?
Grützmacher: Mit Sicherheit ja, sonst hätten wir nie solch ein Feedback bekommen, als das Drei-Sparten-Haus zur Debatte stand. Das war ein klares Statement: Die Trierer und die Menschen aus dem Umland hängen an ihrem Theater.
Weber: Uns wurde auch immer wieder zugetragen, dass wir dauerhaft überdurchschnittliche Qualität liefern konnten. Dass manchmal unsere Lieblingsopern, wie die deutsche Erstaufführung "The Voyage" von Philip Glass oder die sensationelle Detlev-Glantert-Oper "Joseph Süss" nicht so gut besucht waren … Tja, da hat das Publikum manchmal eine andere Wahrnehmung als wir. Aber wir haben als öffentlich finanzierte Kulturinstitution auch einen klaren Auftrag, nicht nur dem Mainstream zu folgen.

Kann es sein, dass Sie zu wenig Werbung gemacht haben? Man hat nur selten Plakate in der Stadt gesehen.
Oppermann: Unser Werbeetat liegt bei 90 000 Euro im Jahr. Im Vergleich mit dem vom Grand Théâtre oder der Philharmonie Luxemburg ist das geradezu winzig! Wir haben im Rahmen dieser Möglichkeiten versucht, kreative Kommunikationslösungen zu finden und dabei die elektronischen Medien gezielt zur Werbung eingesetzt. Leider war uns aber durch städtische Vorschriften bezüglich Plakaten im öffentlichen Raum nicht alles erlaubt, was wir gerne umgesetzt hätten.
Weber: Da ist ein Generalintendant mit einer Anstalt öffentlichen Rechts im Rücken viel besser dran als unser Amt 46. Dass, was ich seit Jahren eingefordert habe, bekommen unsere Nachfolger jetzt: Marketing und die Möglichkeit, problemlos Drittmittel einzuwerben. Den Prozess hätten wir auch gerne begleitet. Das ist schon ein Neustart. Da kommt Wind unter die Flügel.

Ein bisschen zu viel Wind vielleicht? Der designierte Intendant Karl Sibelius wirbelt ja ganz schön wild.
Weber: Wechsel gehört zum Theater. Wir sind nun elf Jahre hier. Ich fand es allerdings nicht angemessen, wie viele Ensemblemitglieder gekündigt wurden. Ich bedaure, dass Sven Grützmacher hier kein Tanztheater mehr machen kann. Und ich halte es für falsch, den Generalmusikdirektor zu degradieren. Ich hätte das nicht gewollt. Nicht, weil ich Verantwortung ablehne. Sondern, weil ich in diesen Strukturen gut und erfolgreich gearbeitet habe. Wir brauchen unsere Ergänzung …
Oppermann: … und Reibung …
Weber: Ja, kritische Ergänzung. Dieses Austarieren von Macht tut einem Theater gut und pusht die Qualität nach oben. Das, was kommt, kann noch spannend werden.

Hat Generalmusikdirektor Victor Puhl sich also mit seinen Vorstellungen gegen Sie durchgesetzt?
Weber: Nein, wir haben nie etwas durchgesetzt.
Larsen: Es gibt ja die Regel, dass Intendant und GMD sich einigen sollen.
Weber: Bei Operntiteln hat das manchmal ein bisschen gedauert. Aber es ist uns immer gelungen. Wir haben gut zusammengearbeitet.
Oppermann: Teamwork.
Weber: Man hat ja schon viel "Allmacht" als Intendant, um seine Visionen durchzusetzen. Aber das habe ich nie bis zum Äußersten ausgereizt. Unser Theater hatte ausreichend Hierarchie.

Hat das Trierer Theater ein spezielles Publikum?
Grützmacher: Ja, ich finde schon. Bei meinem ersten Stück - "Brel" - dachte ich: Das könnte schwierig werden. Doch es kam gut an. "Die Winterreise" hingegen nicht. Das konnte ich nicht nachvollziehen.
Oppermann: Das Trierer Publikum identifiziert sich stark mit dem Ensemble, mit den Gesichtern auf der Bühne. Man muss es zur Neugier provozieren. Da hätte ich mir häufig ein bisschen mehr gewünscht. Überraschend fand ich auch, dass die Trierer etwas aufnehmen und dann mit sich nehmen. Ich habe es in anderen Häusern erlebt, dass viel kontroverser mit Theater umgegangen wurde.
Was kann man dem Trierer Publikum zumuten?
Grützmacher: Wir haben uns manchmal gefragt, ob wir mutiger sein sollten oder radikaler. Aber die Sehgewohnheiten haben sich massiv verändert. Anti-Theater interessiert ja keinen mehr. Du kannst Dich besudeln - es provoziert nicht. Es ist interessanter, die Menschen wieder zu verzaubern, zur Poesie hinzuführen. Das ist Aufgabe des Theaters. Natürlich kann man sagen: Theater muss politisch sein. Aber ich glaube, viele wollen Theater auch als Unterhaltung haben.
Weber: Als Raum der Visionen auch.
Grützmacher: Natürlich auch das.
Larsen: Bei "Lakmé" war es ganz spannend. Am Anfang ist das Stück nicht gelaufen, bis die Leute mitbekommen haben, dass es toll ist. Dann waren erst die letzten Aufführungen ausverkauft. Das zeigt: Man kann das Publikum auch fordern.

Was raten Sie Ihren Nachfolgern?
Oppermann: Wir empfehlen ihnen, die entstandenen Kontakte weiter zu nutzen.
Larsen: Wir hatten immer das Anliegen, den Leuten die Augen zu öffnen, wie nah sie an der Grenze leben. Uns war klar, wir müssen versuchen, diese Randlage und gleichzeitig diese Lage im Zentrum Europas zu nutzen. Wir hatten Kooperationen mit Ascoli Piceno, Thionville, Metz, Luxemburg oder Dijon und die drei Total Theater-Festivals. Diese internationale Zusammenarbeit war einer unserer Leitsätze. Und wir haben, auch weil wir einen französischen Generalmusikdirektor haben, insbesondere die Nähe zur französischen Kulturregion hervorgehoben und hier besondere Akzente im Spielplan gesetzt.

Sollte es ein Ziel sein, Kaiserthermen und Amphitheater wieder zu bespielen?
Weber: Ich halte es für unverzichtbar, die antiken Stätten zu bespielen. Aber dann braucht man auch eine finanzielle Grundausstattung, die es ermöglicht, Talsohlen zu durchschreiten.
Oppermann: Auch der Stolz aufs Theater und der Wille, es einzubeziehen, sind wichtig. Das Theater sollte bei Porta{+3} auch dazugehören. kah

Die Fragen stellten Peter Reinhart, Rainer Nolden, Christa Weber, Michael Schmitz und Katharina Hammermann. Extra

 Gerhard WeberFoto: TV-Archiv

Gerhard WeberFoto: TV-Archiv

 Peter Oppermann Foto: Theater Trier

Peter Oppermann Foto: Theater Trier

Foto: MARCO PIECUCH (g_kultur
 Peter Larsen Foto: privat

Peter Larsen Foto: privat

Foto: (g_kultur
 Sven GrützmacherFoto: Theater Trier

Sven GrützmacherFoto: Theater Trier

Foto: (g_kultur

Was bringen Ihnen Ihre nächsten Jahre? Gerhard Weber, Intendant, 65: Ein Leben zunächst ohne Theater mit vielen Reisen: Nach Australien zu meiner Tochter und nach Asien. Im nächsten Jahr geht es nach Südamerika. Aber ich werde immer wieder gerne Trier besuchen, dem ich mich sehr verbunden fühle. Und das, was an Regieangeboten kommt, nehme ich gerne an. Peter Oppermann, Chefdramaturg, 45: Während unsere Abschiedsphase läuft, bin ich schon dabei, die ersten drei großen Premieren für Pforzheim zu planen, wo ich ab der kommenden Saison Chefdramaturg bin. Im September werde ich dann in eine neue Stadt eintauchen. Bereits seit einem Jahr bin ich dabei, gemeinsam mit dem designierten Pforzheimer Intendanten Thomas Muenstermann, der ja auch hier in der Moselstadt inszeniert hat, die Saison 2015/16 vorzubereiten. Peter Larsen, Musikdramaturg, 52: Ich werde anfangs noch in Trier sein, aber den Blick allmählich schon in eine ganz andere Region richten. Ich werde als Chefdramaturg ans Staatstheater nach Schwerin wechseln. Da beginnt jetzt schon die Vorarbeit mit dem Team um den neuen Generalintendanten Lars Tietje. Für mich ist das eine spannende neue Herausforderung, weil ich dann übers Musik- und Tanztheater hinaus das Schauspiel und eine Mundartbühne betreue. Sven Grützmacher, Tanzdirektor, 48: Ich werde auch dem Theater, der Regie und dem Choreographieren treu bleiben. Allerdings erstmal freiberuflich. Es ist absehbar, dass ich die nächsten Monate noch in Trier sein werde, und ich freue mich, endlich mal mehr Zeit für die Familie zu haben. kah

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